Politiker-Rücktritte in Vietnam: Aus vier werden eineinhalb

Mit dem Parlamentspräsidenten Vuong Dinh Hue tritt der Zweite des Staatsführer-Quartetts zurück. Im Hintergrund toben Machtkämpfe um die neue Spitze.

Ein Mann winkt vor rotem Hintergrund

Winken zum Abschied: Vuong Dinh Hue tritt zurück Foto: Minh Hoang/ap

BERLIN taz | Vietnams Parlamentspräsident Vuong Dinh Hue hat am Freitag dem obersten Parteigremium des Landes seinen Rücktritt angeboten. Er zog damit die Konsequenzen aus der Verhaftung seines engsten Mitarbeiters wegen nicht näher genannter Korruptionsvorwürfe vor wenigen Tagen. Das Parlament muss auf seiner Sitzung im Mai den Rücktritt noch annehmen, was als Formalie gilt.

Der 67-jährige Wirtschaftsprofessor Hue gehört zu dem mächtigen Führungsquartett Vietnams, dem neben dem Parlamentspräsidenten der Parteichef, der Staatspräsident und der Premierminister angehören. Es gilt als „kollektive Führung“ Vietnams.

Dieses Führungsquartett besteht mit dem Quasi-Rücktritt Hues nur noch aus eineinhalb statt vier Personen. Denn im März war bereits Staatspräsident Vo Van Thuong nach nur einem Jahr Amtszeit zurückgetreten – ebenfalls wegen Korruptionsvorwürfen. Seitdem amtiert seine blasse und einflusslose Stellvertreterin als Staatsoberhaupt, und im Hintergrund toben Machtkämpfe um die Nachfolge.

Die wichtigste Position in Vietnam, die des Parteichefs der Kommunistischen Partei, hat der greise Nguyen Phu Trong inne, der im Sterben liegt und von dem Videos kursieren, auf denen er ohne fremde Hilfe weder laufen noch vom Stuhl aufstehen kann.

Korruption ist weit verbreitet in Vietnam

Ob Vietnam die komplexen Nachfolgeregelungen weiterhin den Strippenziehern aus der engen Parteiführung überlässt oder es den eigentlich für Januar 2026 geplanten Parteitag vorzieht, ist offen.

Die ständigen Rücktritte hoher Funktionäre führen zu einer Lähmung von Entscheidungsträgern bis auf die Provinzebene herunter

Korruption ist in Vietnam, wo es weder konkurrierende Parteien, unabhängige Gerichte noch eine freie Presse gibt, weit verbreitet. Der Kampf gegen Korruption, den sich die Parteiführung auf die Fahnen geschrieben hat, dient auch dazu, politisch in Ungnade gefallene Politiker aus dem Amt zu kegeln. So lagen bei dem im März zurückgetretenen Staatspräsidenten die ihm zur Last gelegten Korruptionsvorwürfe beispielsweise mehr als zehn Jahre zurück.

Als Strippenzieher, der Politiker wegen Korruptionsvorwürfen aus dem Amt kegelt, gilt der mächtige Sicherheitsminister To Lam. Ihm werden selbst Ambitionen auf höhere Ämter nachgesagt. Seine Bewerbung als Staatspräsident 2022 scheiterte allerdings nach Debatten im Parlament hinter verschlossenen Türen. Aber wenn demnächst gleich mehrere Positionen im Führungsquartett neu zu besetzen sind, könnte auch er wieder ins Spiel kommen.

Die ständigen Rücktritte hoher Funktionäre führen zu einer Lähmung von Entscheidungsträgern bis auf die Provinzebene herunter. So werden Verträge mit ausländischen Investoren derzeit oft auf die lange Bank geschoben, weil kein Funktionär derzeit solche Verträge unterschreiben und damit die Verantwortung übernehmen will.

Immobilienmagnatin wegen Betrugs zum Tode verurteilt

Das führte in den letzten Wochen bereits zu einem Abfluss von Kapital ins Ausland. Dabei hatte Vietnam erst in der Folge der Coronapandemie wirtschaftlich davon profitiert, dass sich ausländische Investoren aus China zurückzogen und in der geografischen Nähe einen neuen Produktionsstandort suchten.

Korruption ist in Vietnam auch nicht auf die Politik beschränkt, Anfang April wurde die Immobilienmagnatin und Bankerin Truong My Lan wegen ihrer Beteiligung an einem milliardenschweren Finanzbetrug zum Tode verurteilt. Ihr wird Unterschlagung von 12,5 Milliarden US-Dollar zur Last gelegt. Die Summe entspricht knapp 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts Vietnams. Der Skandal gilt als der größte Korruptionsvorfall in der Geschichte Südostasiens. Welche politischen Funktionäre bei den Geschäften der Bankerin ihre Hand aufgehalten hatten, ist noch nicht aufgearbeitet.

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