US-Wahl 2024: America in a Hundehütte

Die Republikanerin Kristi Noem brüstet sich mit der Tötung ihrer Hündin. Und hält Joe Biden für einen Waschlappen.

Schäferhund rennt einem Ball hinterher

„Commander“ im Weißen Haus, Weihnachten 2021 Foto: Carolyn Kaster/ap/picture alliance

Wer ein harter Hund sein will, der tötet einen. Es ist kein Zufall, dass Netflix 2013 seine erste Serienproduktion überhaupt, „House of Cards“ über den demokratischen Politiker Francis Underwood, mit genau dieser Szene beginnt. Nicht lange fackeln und tun, was nötig ist, ohne Rücksicht auf irgendwelche Sentimentalitäten – ruckzuck ist der, bei einem Unfall verletzte, Nachbarshund mit bloßen Händen erdrosselt.

Auch „Yellowstone“, eine der angesagtesten US-Serien der jüngeren Zeit, in der die aktuelle seelische Verfasstheit von God’s own country intensiv ausgelotet wird, beginnt mit einem Zitat der „House of Cards“-Szene, nur dass es hier mit dem Rancher und Großgrundbesitzer John Dutton ein erkennbar republikanischer Charakter ist, der seinem ebenfalls verunfallten Pferd gleich zum Auftakt in den Kopf schießt.

Kristi Noem, die republikanische Gouverneurin von South Dakota und heiße Kandidatin für die Vizepräsidentschaftsanwärterin in Donald Trumps Wahlkampagne, hat nun im Real Life nachgelegt und in ihrer zur politischen Selbstvermarktung veröffentlichten Autobiografie geschildert, wie sie ihre Drahthaar-Hündin Cricket eigenhändig erschoss, weil die nicht spurte.

Das erst 14 Monate alte Tier hatte offenbar Probleme mit der korrekten Vogelbestimmung: Der eigentlich zur Jagd auf Fasanen ausgebildete Hund hat diese nicht brav apportiert, sondern verscheucht und bei späterer Gelegenheit „wie eine Auftragsmörderin“ die Hühner vom Nachbarn erlegt. Also hat Frauchen getan, was eine Frau tun muss. Und anschließend darüber geschrieben, ganz offensichtlich in dem Kalkül, sich als knallharte Macherin im Underwood/Dutton-Stil darzustellen.

Der amerikanische Kultur- wird damit zum Hundekampf. Die als woke gescholtene Bevölkerungshälfte jault erwartungsgemäß auf wie ein getretener Hund, das Team von Joe Biden ließ sogleich verlauten, man kraule Hunde lieber, als sie zu erschießen. Was Noem zu der Replik nutzte, Biden sei zu waschlappig, um die nötige Verantwortung zu tragen – der hätte seinen Schäferhund Commander mal auch besser erschießen sollen.

In Deutschland strafbar

Der präsidiale Hund hat eine Weile lang allerlei Security-Leute gebissen, bis er schließlich des Weißen Hauses verwiesen wurde. America in a Hundehütte: auf der einen Seite die verweichlichten demokratischen Städter, die in ihren Safe Spaces auf dem Universitätscampus illegalen Einwanderern vegane Willkommensmenüs und für jede Gemütslage eine eigene Toilette servieren, auf der anderen die hart und ehrlich arbeitende Landbevölkerung mit Schwielen an den Fingern vom vielen Betätigen des Auslösers am Revolver, mit dem alles aus dem Weg geschossen wird, was sich dem göttlichen und damit eigenen Willen als lästiges Hindernis in den Weg stellt.

In Deutschland übrigens hätte sich die Gouverneurin mit ihrem markigen Vorgehen sogar strafbar gemacht. Nach Tierschutzgesetz ist ein vernünftiger Grund erforderlich, um ein Tier zu töten. Was ein solcher ist, darüber wird zwar ebenfalls gestritten – wenn aber jemand seinen Hund erschießen wollte, nur weil der nicht den richtigen Vogel fängt oder weil die Besitzerin offenbar schlicht keine Lust hat, sich weiter mit seiner Erziehung herumzuärgern, rückte wohl gleich das SEK Hundetrainer Martin Rütter aus.

In Deutschland allerdings bräuchte eine Politikerin, die sich damit brüstet, einen Hund zu töten, wohl auch gar nicht erst zur Wahl antreten, ganz gleich für welche Partei. Hier wäre es bereits ein PR-Super-GAU, wenn eine Kandidatin einem Hund auch nur ein Haar krümmte, geschweige denn ihm gleich ein Loch im Fell verpasste. Als unlängst im „Tatort“ der Mörder nicht nur Frauen folterte, sondern auch Hunde, sah die ARD sich veranlasst, gleich zu Beginn des Films per Einblendung klarzustellen, dass natürlich kein Tier bei den Dreharbeiten zu Schaden gekommen sei. Die Bild war trotzdem schockiert („Hundefreunde werden leiden“). In Satiriker-Kreisen geht seit jeher das Bonmot um, dass man in Deutschland – von wegen Cancel Culture – auf der Bühne jeden Witz über alles machen könne, nur nicht über Hunde.

Während in den USA also die Rechten im Western-Stil damit punkten, ein eher nutzungsorientiertes Verhältnis zum Tier zu zeigen, sind in Europa sogar die Nazis sanfte Tierkuschler. Nicht umsonst haben die Nationalsozialisten gleich 1934 das erste Tierschutzgesetz für Deutschland eingeführt. Als vor einigen Jahren in Hannover Kampfhund Chico, der zwei Menschen getötet hatte, eingeschläfert werden sollte, hielten Tierschützerinnen zusammen mit Rechtsradikalen Mahnwachen für das Tier.

Und im postfaschistisch regierten Italien wurde zum 29. April das sogenannte Puppy Yoga verboten, bei dem Hundewelpen in Yoga-Kursen eingesetzt werden. Nicht etwa, um sie bei Atemübungen aufzupusten – die Tiere tollen bei diesen Veranstaltungen vielmehr frei in der Klasse herum und dienen einzig der seelischen Entspannung der Kursteilnehmenden. Dabei aber, so argumentierten italienische Tierschützer, würden die Welpen „zu Objekten gemacht und ausgebeutet“. Die auf den Hundeverleih spezialisierten Betriebe beklagen nun, dass sie ihren Geschäftsbetrieb einstellen müssen. Damit dürften die Welpen nutzlos werden. Kristi Noem würde sie vermutlich einfach erschießen.

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Heiko Werning ist Reptilienforscher aus Berufung, Froschbeschützer aus Notwendigkeit, Schriftsteller aus Gründen und Liedermacher aus Leidenschaft. Er studierte Technischen Umweltschutz und Geographie an der TU Berlin. Er tritt sonntags bei der Berliner „Reformbühne Heim & Welt“ und donnerstags bei den Weddinger „Brauseboys“ auf und schreibt regelmäßig für Taz und Titanic. Letzte Buchveröffentlichung: „Vom Wedding verweht“ (Edition Tiamat).

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