Zwangsräumungen in Berlin: Umverteilung auf die andere Weise

Die Zahl der Zwangsräumungen in Berlin ist gestiegen. Es ist zynisch, aber so schafft der schwarz-rote Senat doch neuen Wohnraum – zumindest für einige.

Ein Mann steht mit dem Rücken zur Kamera, auf seiner Jeansjacke steht "Stop Zwangsräumungen"

Demo gegen Zwangsräumungen in Berlin. Archivbild Foto: Paul Zinken/dpa

Man kann nicht behaupten, dass der schwarz-rote Senat keinen neuen Wohnraum schafft. Zumindest für einige in dieser Stadt tut er das durchaus. Zwar stagnieren die Neubauzahlen auf niedrigem Niveau und der 700 Millionen Euro teure Rückkauf von 4.500 Wohnungen von Vonovia in Lichtenberg wirft auch nichts Zusätzliches ab.

Doch wo Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD) versagt, springt Justizsenatorin Felor Badenberg (parteilos, für CDU) ein: Nach dem Stopp des Pilotprojekts ihrer linken Vorgängerin Lena Kreck zur Verhinderung von Zwangsräumungen sind diese im vergangenen Jahr massiv angestiegen – und damit haufenweise Wohnungen frei geworden.

Wie aus einer aktuellen Antwort der Justizverwaltung auf eine Anfrage des Linken-Abgeordneten Niklas Schenker hervorgeht, wurden 2023 insgesamt 2.369 Berliner Haushalte gewaltsam aus ihren Wohnungen geworfen. Ein Jahr zuvor waren es noch 1.931 Räumungen. Macht summa summarum 4.300 zusätzliche frische Wohnungen für den angespannten Wohnungsmarkt der Hauptstadt.

Badenbergs Verdienst ist dabei, ein Projekt von Senatsjustizverwaltung, Kammergericht und Amtsgerichten kurz vor der Umsetzung gestoppt zu haben. Das sah vor, dass statt einer rein postalischen Zustellung Justizbedienstete die Klagen persönlich übergeben, mit mehreren Versuchen und ergänzt um Informationen zu Hilfsangeboten, um Räumungen abzuwenden.

Schützenhilfe vom Regierenden

Doch die Justizsenatorin sah ihre Chance gekommen, für etwas mehr Durchmischung auf dem ansonsten mittlerweile eher starren Wohnungsmarkt zu sorgen. Als flankierende Maßnahme verschärfte sie noch die Regeln für Ersatzfreiheitsstrafen, sodass arme Menschen länger im Gefängnis bleiben müssen, wodurch das Risiko eines Wohnungsverlustes steigt.

Schützenhilfe kommt vom Regierenden Kai Wegner (CDU): Durch seine rigorose Absage an die Umsetzung des Volksentscheids zur Enteignung großer Immobilienkonzerne wird die Zahl frei werdender Wohnungen weiter steigen. Denn zu Zwangsräumungen kommt es vor allem durch Mietschulden, die nicht mehr beglichen werden können. Und da ohne Enteignung die Mondpreise für die eigenen vier Wände weiter steigen werden, dürften auch Zwangsräumungen weiter zunehmen.

Für die einstigen Mieter*innen, die teilweise schon seit Jahrzehnten in ihrer Wohnung leben und im schlimmsten Fall auf der Straße landen, ist das natürlich blöd. Auch für das offizielle Ziel, Obdachlosigkeit in der Hauptstadt bis 2030 zu beenden, ist das nicht gerade förderlich. Aber irgendwas ist ja immer.

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Leiterin taz Berlin und Redakteurin für soziale Bewegungen, Migration und soziale Gerechtigkeit. Hat politische Theorie studiert, ist aber mehr an der Praxis interessiert.

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