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Crowd für mehr Verantwortung

Mit guter Absicht zum guten Ergebnis zu kommen klappt auch nachhaltig basiert nicht immer – aber mit mehr „Eigentumsverantwortung“ sicher besser

Ökonomische Garantien, dass nachhaltiges Wirtschaften sich am rauen Markt der Wirklichkeit auch behauptet, gibt es letztlich nicht: Jedes noch so ambitioniert nachhaltige Unternehmen kann durchaus scheitern und damit das Geld ihrer Anleger verlieren – das liegt in der Natur des Wirtschaftens. Ganz abgesehen davon erfüllen aber bei Weitem nicht alle Newcomer, trotz ihrer oft vollmundigen Versprechungen, ihren eigenen ökologischen Ambitionen. Gerade Start-ups mit hehren Ansprüchen ins Geschäftsleben einsteigen, dann tatsächlich viel Erfolg einheimsen und plötzlich dynamisch wachsen, erleben sie oft, dass der ökonomische Marktdruck plötzlich zunimmt und nicht selten die anfänglich so nachhaltige Moral untergräbt. Beispielsweise dann, wenn Projekte finanziert werden müssen, die man mit eigenen Mitteln nicht mehr leisten kann und man auf den Einstieg profitorientierter Investoren angewiesen ist.

Dass eine solche Entwicklung nicht immanent sein muss und Un­ter­neh­mens­grün­de­r:in­nen trotz Wachstums ihren ursprünglichen Ideen treu bleiben können, versucht derzeit Haferkater mit einem bemerkenswerten Crowdfunding. Das 2014 gegründete Unternehmen betreibt an Bahnhöfen Systemgastronomie, die nachhaltige und gesunde Getränke, Snacks und Speisen – in der Hauptsache Produkte mit Hafer – anbietet. In ihrer im Dezember 2023 lancierten Crowdfunding-Kampagne auf der Crowd-Plattform der GLS Bank beabsichtigt Haferkater nun, eine Summe von 3,5 Millionen Euro von potenziellen Anlegern einzusammeln. Ausgelobt werden dabei eine Rendite von 8,5 Prozent bei einer Sonderausschüttung von 15 Prozent. Gute Konditionen für eine gute Sache, obgleich standardmäßig darauf hingewiesen wird, dass ein Totalausfall der geleisteten Beiträge schlimmstenfalls möglich ist.

Erfolg mit Konsequenzen

„Es sieht gut aus“, freut sich indes Leandro Burguete, einer der drei Gründer:innen. Haferkater betreibt mittlerweile neun eigene Stores mit 120 Mitarbeitern und hat weitere 16 Franchises auf den Weg gebracht – insgesamt 11 Millionen Euro Umsatz. Bereits Mitte April erreichte das Crowdfunding die Marke von 2,2 Millionen Euro, mehr als zwei Drittel der angepeilten Summe. Dabei ist nicht nur die Höhe des Fundings bemerkenswert.

„Wir haben die Kampagne gestartet, um unseren unternehmerischen Umwandlungsprozess in Verantwortungs­eigentum zu realisieren“, erklärt Burguete. „Verantwortungs­eigentum“ – was meint er damit? „Na ja, wir haben für den Ausbau unseres Gastrokonzeptes zwei Investoren ins Unternehmen reingeholt. Die haben uns gerade in schwierigen Coronazeiten sehr geholfen, wir können uns deswegen nicht beschweren, allerdings sind diese Investoren dem Shareholder-Value ausgerichtet.“ Im Zuge dieser Logik müsse man langfristig die Kernidee, gute, nachhaltige Ware und wertige Arbeit zu kreieren, aufgeben. „Da wir das nicht wollen, gehen wir vom Markt, indem wir privaten Anlegern, und damit letztlich all denjenigen, die bei uns Kunden sind oder einfach überzeugt sind von unserer nachhaltigen Produktpalette, die Möglichkeit geben, die Investoren zu ersetzen“, führt der Geschäftsführer aus. Mit anderen Worten: Interessierte, Kunden und Freunde übernehmen Verantwortung(seigentum) und sichern damit den Fortbestand einer guten Idee, statt sie der wachstumsorientieren Marktlogik zu überlassen.

Haferkater ist kein Einzelfall. Viele neue, kleine wie auch mittelständische Unternehmen treibt die Frage um, wie es gelingt, Vorhaben zu finanzieren, ohne eigene Ideale und Grundwerte verlieren zu müssen. Interessant in diesem Zusammenhang sind virulente Überlegungen zu einer neuen Rechtsform, und zwar das Konstrukt einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit gebundenem Vermögen (GmbH-gebV), bei der sich Unternehmer praktisch als Treuhänder des Unternehmens verstehen. Bosch, Zeiss, Alnatura und Globus sind gute Beispiele dafür. „Ich halte es für eine wichtige gesellschaftliche Herausforderung, dass es uns gelingt, die Unternehmen auf dem Weg der Transformation zu einer nachhaltigeren Wirtschaftsweise finanziell zu begleiten“, signalisiert zumindest Axel Schmidt, Leiter Crowdfinanzierung bei der GLS Bank. Das bleibt nicht ohne Risiko. „Deshalb ist es vor allem wichtig, zu diversifizieren“, so Schmidt weiter und rät, „nicht alles in ein einzelnes Unternehmen zu investieren und nur Gelder einsetzen, auf die man nicht angewiesen ist und die auch nicht der Vorsorge dienen“. Dierk Jensen