Tesla Gigafactory in Brandenburg: Warum dann überhaupt abstimmen?

Der Grünheider Gemeinderat votiert für eine größere Elektro­auto­fabrik – trotz Protest und einer Volksabstimmung.

Ein Zettel mit dem Schriftzug ·Stop the Giga-Fucktory· klebt nahe dem östlichen Teil des Werksgeländes der Tesla Gigafactory und des Protest-Camps im Wald an einem Krötenschutzzaun

Stop the Giga-Fucktory – das hat nicht geklappt. Die Gemeindevertreter von Grünheide haben dem Bebauungsplan zugestimmt Foto: Sören Stache/dpa

Nach dem Votum des Gemeinderats von Grünheide bei Berlin für den Ausbau der Fabrik des US-Auto­herstellers Tesla geben die Gegner nicht auf. „Wir lassen uns das nicht gefallen, und wir werden weiter gegen die Erweiterung vorgehen“, erklärte die Vorsitzende der Bürgerinitiative Grünheide, Manu Hoyer. Man wolle noch stärker protestieren und vor Gericht ziehen, um das Projekt zu stoppen. Es liefen bereits Gespräche mit mehreren Naturschutzverbänden, um eine mögliche Klage auszuloten, sagte ein Sprecher der Bürgerinitiative am Freitag.

Am Vorabend hatten nach einer zweistündigen Diskussion elf Ver­tre­te­r*in­nen des Gemeinderats für den Bebauungsplan gestimmt. Sechs waren dagegen, zwei enthielten sich.

Seit drei Jahren produzieren in Grünheide rund 12.500 Menschen Elektroautos. Die Erweiterung des einzigen Tesla-Werks in Europa ist hochumstritten. Ak­ti­vis­t*in­nen sehen erhebliche Umweltrisiken, unter anderem, weil das Gelände in einem Wasserschutzgebiet liegt. Protestiert wird auch gegen die geplante Abholzung von Wald. Und irgendwie geht es auch gegen Tesla-Chef Elon Musk, den Turbokapitalisten.

Im Februar noch hatten sich über 60 ­Prozent der Bür­ge­r*in­nen der 8.000-Ein­woh­ne­r*in­nen-Gemeinde Grünheide in einer nicht bindenden Abstimmung gegen die Erweiterung ausgesprochen. Erst vor einer Woche demonstrierten etwa 2.000 Personen gegen Tesla. Seit Monaten kampieren Ak­ti­vis­t*in­nen im Wald nahe der Fabrik, der von Rodung bedroht ist. Im März legten Unbekannte ein Feuer an einem Strommast in der Nähe – die Autoproduktion lag danach fast eine Woche lang auf Eis.

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Es sollte eine turbulente Gemein­de­rats­sitzung werden. Etwa 200 Personen waren in die dicht besetzte Müggelspreehalle im Grünheider Ortsteil Hangelsberg gekommen, zuvor hatte das Protestbündnis „Tesla den Hahn abdrehen“ hier noch demons­triert.

Die Stimmung war angespannt, Ortsvorsteherin und Sitzungsleiterin Pamela Eichmann (SPD) hatte oftmals Mühe, Zwischenrufe, Beifall und Buhrufe unter Kontrolle zu bringen. Mehrere An­woh­ne­r*in­nen sowie das „Bürgerbündnis“ forderten eine erneute Einwohnerbefragung über den geänderten Bebauungsplan. Und scheiterten. Neben dem „Bürgerbündnis“ und einzelnen Ratsmitgliedern stimmte auch die AfD-Fraktion mit Nein.

„Ein herber Schlag für die Demokratie“

Nun bekommt Tesla die Genehmigung, sein 300 Hektar großes Betriebsgelände im Südosten von Berlin um weitere 110 Hektar nach Osten hin für einen Güterbahnhof und Lagerhallen zu erweitern. Die Pläne waren nach den Protesten abgespeckt worden: Ein zunächst geplanter Werkskindergarten und einige Lagerflächen fallen weg. Nur noch 50 statt der ursprünglich geplanten 100 Hektar Wald sollen im Landschaftsschutzgebiet gerodet werden.

Die brandenburgische Landesregierung und Tesla atmeten auf. Ein Konzernvertreter sagte bei der Gemeinderatssitzung, Tesla könne den Abtransport von künftig einer Million Fahrzeugen pro Jahr auch über die Straße abwickeln, „aber das wollen wir nicht, wir wollen das über die Schiene machen“. Derzeit können im Werk in Grünheide jährlich 500.000 Fahrzeuge gebaut werden. Das Genehmigungsverfahren laufe, um die Kapazität zu verdoppeln.

„Das ist ein herber Schlag für den Wasserschutz und die Demokratie“, urteilte dagegen Karolina Drzewo, Sprecherin von „Tesla den Hahn abdrehen“. Die Mehrheit der Menschen in Grünheide sei gegen die Erweiterung, „dennoch hat die Gemeindevertretung jetzt wahrscheinlich durch den massiven Druck des Konzerns Tesla und der Bundes- und der Landesregierung gegen das Votum der Bür­ge­r*in­nen hier gestimmt“. Es sei „gefährlich in einer Region mit Politikverdrossenheit, dass der Mehrheit der Menschen nicht zugehört wurde“, ergänzte sie.

Marten Lange-Sieben­thaler vom Bürgerbündnis zeigte sich vom Ausgang der Abstimmung wenig überrascht. „Aber der Schaden ist da, für die Gemeinde und natürlich auch für die Demokratie“, sagte er. „Die Gesellschaft ist zunehmend polarisiert, und wenn wir dann solche Entscheidungen haben, die den Bürgerwillen nicht ausreichend berücksichtigen, erweisen wir der Demokratie einen Bärendienst. Und das äußert sich in der Regel dann in den Wahlergebnissen.“ Am 9. Juni finden in Brandenburg Europa- und Kommunalwahlen statt.

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