Aktivist über Initiative in Lüneburg: „Straßenbahnen werden mehr genutzt“

Brauchen kleine Städte Straßenbahnen? Jonas Korn von der Initiative Lünebahn erklärt, wieso die Verkehrswende nur mit großen Forderungen gelingen kann.

Ein Schild aus Pappe kündigt in der Lüneburger Innenstadt eine kommende Straßenbahn-Haltestelle an

Mit solchen Papp-Haltestellenschildern wirbt die Ini an zentralen Punkten für eine Straßenbahn in Lüneburg Foto: Initiative Lünebahn

taz: Die Initiative Lünebahn hat vergangene Woche in Lüneburg Haltestellenschilder aus Pappe aufgehängt. Warum, Herr Korn?

Jonas Korn: Die Aktion sollte in den öffentlichen Raum hinein wirken und Öffentlichkeit dafür herstellen, dass eine Straßenbahn eine sinnvolle Sache für Lüneburg wäre. Durch die Schilder wird sehr anschaulich, dass wirklich eine Straßenbahn an diesem Ort halten könnte und wo entlang sie verlaufen könnte.

Warum braucht eine so kleine Stadt wie Lüneburg überhaupt eine Straßenbahn?

Um die Jahrhundertwende hatten sehr viele kleine Städte noch Straßenbahnen. Bevor die Städte in den 50ern, 60ern und 70ern zu autogerechten Städten umgebaut wurden, war das sehr üblich. Auch in Lüneburg wurde das diskutiert. Damals hatte die Stadt weniger als 30.000 Einwohnende. Die Nachbarstadt Celle war sogar noch kleiner und hat eine Straßenbahn bekommen. Im Moment gibt es auch international eine Renaissance der Straßenbahn, zum Beispiel in Frankreich oder Portugal.

Würde es nicht ausreichen einfach mehr Busse auf die Straße zu bringen? Die können ja auch viele Menschen befördern und brauchen keine extra Schienen.

Wenn man sich den Modal Split für verschiedene Städte anguckt …

Modal Split?

Jahrgang 1992, ist Mitglied bei der Initiative Lünebahn.

Der Modal Split zeigt an, wie hoch der Anteil an öffentlichem Personennahverkehr (ÖPNV), Radverkehr, Fußverkehr und PKW-Verkehr in einer Stadt ist. Und es zeigt sich, dass eigentlich nur Städte mit einem schienengetragenen ÖPNV zu relevanten ÖPNV-Anteilen kommen. In Lüneburg ist der Busverkehr absolut untergenutzt. Er hat nur einen Modal-Split-Anteil von fünf Prozent, obwohl Lüneburg im Vergleich zu anderen Städten in Niedersachsen einen relativ okayen Busverkehr hat – also eine dichtere Taktung und ein besseres Netz als der Durchschnitt.

Woran liegt das?

Busse sind an sich nicht so beliebt. Sie sind weniger barrierearm, schaukeln mehr und sind laut. ÖPNV-Systeme wie Straßenbahnen werden von breiteren Schichten der Bevölkerung genutzt. In Lüneburg sind es hauptsächlich Schüler*innen, Rent­ne­r*in­nen und ärmere Menschen, die den Bus nutzen. Städte mit einem guten ÖPNV, wie zum Beispiel Berlin, haben eine der besten ModalSplit-Verteilungen. Der PKW-Verkehr ist da nur bei etwa 25 Prozent, weil der ÖPNV einfach so gut ist, dass es sich nicht lohnt Auto zu fahren.

Das heißt mehr Schienenverkehr führt zu einer höheren Nutzung von ÖPNV?

Genau. Ein gutes Bussystem kann das auch verbessern, aber die Schiene scheint auf jeden Fall ein Game-Changer zu sein, der es interessanter für mehr Leute macht, den ÖPNV zu nutzen. Verkehr auf der Schiene ist schneller und angenehmer und ist subjektiv und objektiv verlässlicher.

Nimmt so eine Straßenbahn nicht auch viel Platz weg?

Der Verkehrsraum ist immer begrenzt. Wenn man eine Verkehrswende will und weniger Autos in der Stadt haben will, dann muss man den Platz für Autos zurückbauen und das Autofahren unattraktiver machen. In Städten wie Würzburg oder Mainz gibt es an einigen Stellen nur noch Straßenbahn, Fußgängerzone und einen kleinen Fahrradweg.

Wie lange würde es dauern, so ein Straßenbahnsystem zu bauen?

Solche Projekte dauern schon so zehn Jahre. Aber, wenn wir bis 2030 Klimaneutralität haben wollen ist vielleicht doch auch eine Beschleunigung möglich. Es bräuchte dringend eine komplette Kompetenz­umverteilung im gesamten Verkehrsbereich. Die Autobahn GmbH beispielsweise plant mit tausenden Leuten neue Autobahnen. Die Planer*in­­nen werden eigentlich für den ÖPNV gebraucht.

Warum soll die von Ihnen geforderte Lünebahn kostenlos sein?

Die Verkehrswende kann nur dann gelingen, wenn sie nicht nur ökologisch, sondern auch sozial ist.

Also soll die Kommune die Mobilität finanzieren?

Es sind gar nicht so viele zusätzliche Mittel, die – angesichts dessen, was für den ÖPNV schon gezahlt wird – nötig sind. Man spart ja auch viel, wenn man keine Kon­trol­leu­r*in­nen und Fahrschein-Automaten mehr braucht. Das sind niedrige Milliardenbeträge. Außerdem kann schienengetragener ÖPNV eine Finanzierung durch den Bund bekommen. Dafür muss man einen bestimmten Nutzen-Kosten-Index vorweisen, also eine bestimmte Anzahl an Menschen, die das nutzen würden. Der Bund trägt dann 75 Prozent der Kosten der Straßenbahn. Deshalb ist unsere erste Forderung, dass eine Studie in Auftrag gegeben wird, die prüft ob eine Straßenbahn in Lüneburg machbar wäre. In Kiel, wo die Straßenbahn gerade wieder reaktiviert wird, gab es auch zunächst eine Machbarkeitsstudie.

Sind Sie schon in Kontakt mit der Politik?

Nicht direkt. Aber in Lüneburg wird gerade ein nachhaltig urbaner Mobilitätsplan erstellt. Da wurde die Idee von verschiedenen Leuten immer wieder eingebracht. Aber sie wird derzeit noch nicht ernst genommen.

Warum?

Ich glaube das liegt daran, dass es als Projekt zu groß ist, als dass sich Leute da rantrauen. Wir sehen unsere Aufgabe deshalb erst mal darin, diesen Denkraum zu öffnen und diese Forderungen ins Spiel zu bringen. Wir haben auch gemerkt, dass viele die Idee toll finden, aber sie ist eben politisch nicht einfach umzusetzen und deshalb muss sich in der Bevölkerung erst mal ein gewisser Druck ergeben, damit sich Leute damit beschäftigen,

Was motiviert Sie sich an so eine große Forderung zu wagen?

Es reicht einfach nicht aus, nur auf Radverkehrsförderung zu setzen. Ein Großteil der Menschen kann oder will nicht Rad fahren. Was ist die Alternative, um viele Menschen zu bewegen, die gerade noch Auto fahren? Der ÖPNV ist das Rückgrat der Verkehrswende. Wir alle im Team sehen, dass es die Klimakrise gibt und wir was tun müssen. Und wir müssen mit einem radikalen Realismus darauf schauen, was notwendig wäre um die Ziele zu erreichen.

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