Demokratiefördergesetz gefordert: Was folgt auf die Gewalt?

Nach dem Angriff auf SPD-Politiker Matthias Ecke drängen SPD und Grüne auf das Demokratiefördergesetz und mehr Prävention. Doch die FDP blockiert.

Freiwillige hängen Wahlplakate auf.

Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) versprach am Montag mehr Schutz für Wahlkämpfende Foto: Matthias Rietschel/reuters

BERLIN taz | Am Montag hatte Matthias Ecke seine Operation hinter sich, mehrere Frakturen im Gesicht mussten behandelt werden. Er habe den Eingriff „gut überstanden“, erklärte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert. Der Genesungsprozess aber werde „ein langer Weg“ sein, mehrere Tage müsse er im Krankenhaus bleiben. Ecke aber sei „wild entschlossen“, in den Wahlkampf zurückzukehren und „noch härter“ für demokratische Werte kämpfen.

Am Freitagabend war Ecke, Europaspitzenkandidat der sächsischen SPD, in Dresden beim Plakatieren von Vermummten niedergeschlagen worden. In der gleichen Nacht und Straße wurden auch Plakatierende der Grünen bedroht. Die Angriffe lösten bundesweit Entsetzen aus. Noch am Sonntagabend gingen Tausende in Dresden und Berlin auf die Straße und erklärten sich solidarisch. Mehrere hundert Abgeordnete unterzeichneten eine „Striesener Erklärung“, in der sie die Gewalt verurteilten.

Ebenfalls am Sonntagabend hatte die Polizei die Tatverdächtigen für die Angriffe ermittelt und durchsucht: drei Jugendliche, 17 und 18 Jahre alt. Ein weiterer 17-Jähriger hatte sich zuvor gestellt. Zum Tatmotiv äußerte er sich bisher nicht. Das LKA fand allerdings auf seinem Handy rechtsextreme Inhalte. Ob auch die Tat politisch motiviert war, bleibe offen, sagte ein LKA-Sprecher der taz.

Die andere Frage lautet: Was folgt aus der Gewalt? Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) versprach am Montag mehr Schutz für Wahlkämpfende. Die Sicherheitsbehörden würden sich über eine zentrale Ansprechstelle enger mit den Parteien abstimmen, vor allem um besonders schutzbedürftige Veranstaltungen auszumachen. Man ziele auf eine gute „Raumdeckung“.

Am Dienstag ist Sicherheitsgipfel geplant

Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU), derzeit Vorsitzender der Innenministerkonferenz, kündigte für Dienstag eine Sondersitzung des Gremiums an. Stübgen betonte aber, dass man sich keine Illusion machen dürfe, dass die Polizei alle Probleme lösen könne. Wer das erwarte, „verkennt die Herausforderungen, vor denen wir stehen“. Verrohung und Enthemmung seien Probleme für die gesamte Gesellschaft.

Auch SPD-Generalsekretär Kühnert erklärte, es stellten sich nicht in erster Linie Sicherheitsfragen, sondern welche an die Demokratiefestigkeit und die Bereitschaft aller, sie zu verteidigen. SPD und Grüne drängten, nun verstärkter in Prävention zu investieren und endlich das Demokratiefördergesetz zu verabschieden, das seit Monaten im Bundestag von der FDP blockiert wird.

Die Bundesmigrationsbeauftragte Reem Alabali-Radovan (SPD) erklärte, es sei „höchste Zeit, die wertvolle Arbeit der Engagierten vor Ort mit dem Demokratiefördergesetz zu stärken“. Es brauche „mehr und bessere Prävention“. „Wie viele Alarmsignale braucht es noch?“

Auch der SPD-Abgeordnete Felix Döring, der momentan über das Demokratiefördergesetz verhandelt, betonte: Der Angriff auf Ecke zeige nochmal „auf erschreckende Weise“, wie aus Worten Taten würden. „Die Bedrohung unserer Demokratie, insbesondere von rechts, ist real.“ Und das Problem sei nicht auf einzelne Bundesländer beschränkt. „Deswegen müssen wir vorher, präventiv, ansetzen, das Übel an der Wurzel packen und Ideologien der Ungleichwertigkeit und Demokratiefeindlichkeit entgegentreten“, so Döring zur taz. Dafür brauche es eine starke Zivilgesellschaft und das Demokratiefördergesetz. „Damit der Bund seine Demokratieförderung absichern und damit unsere Demokratie stabilisieren kann, und genau deshalb arbeiten wir weiter dafür, dass es auch wirklich kommt.“

„Muss uns alarmieren“

Auch die Grünen machen Druck. „Wenn die innenpolitische Antwort immer ein Ruf nach Überwachung und härteren Strafen ist, werden wir an dieser gesellschaftlichen Herausforderung scheitern“, so Innenpolitikerin Misbah Khan zur taz. Extremismus lasse sich nicht einfach verbieten. Daher müsse man sich tiefgehender mit Radikalisierungsprozessen befassen und brauche man gezielte Präventionsmaßnahmen für alle Altersgruppen sowie Orte für Begegnungen über soziale Grenzen hinweg. „Dass solche Projekte eher ab- als ausgebaut werden, sollte uns alarmieren.“ Diese Erkenntnis müsse sich auch in den Innenministerien durchsetzen, es brauche endlich „eine gemeinsame und präventive Antwort“ auf die Ausbreitung von Extremismus. „Ein Ende der Grundsatzdiskussion um das Demokratiefördergesetz sollte ein Teil dieser Antwort sein.“

Die FDP indes blockiert das Demokratiefördergesetz. Schon Ende 2022 hatten Familienministerin Lisa Paus (Grüne) und Innenministerin Nancy Fae­ser (SPD) einen Gesetzentwurf vorgelegt, um Demokratieprojekte langfristig abzusichern statt immer nur für eine Förderperiode. Seitdem hängt es im Bundestag fest. Die FDP hält das Gesetz für zu weitgehend, pocht auf die Wiedereinführung einer „Extremismusklausel“. Aktuell wollte sich Verantwortliche in der FDP-Fraktion nicht zu dem Gesetz äußern. Die Verhandlungen liefen, hieß es dort.

Und nicht nur das Demokratiefördergesetz, auch mehr Geld für Präventionsprojekte dürfte angesichts der Sparvorgaben von Finanz­minister Christian Lindner (FDP) schwierig werden.

SPD-Mann Döring appellierte an den Koalitionspartner: „Diejenigen, die das Gesetz ständig torpedieren, anstatt an pragmatischen Lösungen zu arbeiten, sollten sich überlegen, in wessen Horn sie blasen und ob sie unserer demokratischen Zivilgesellschaft wirklich weiter Steine in den Weg legen möchten.“

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