Tierschutz-Kontrolle mangelhaft: Schlachthöfe machens richtig

In Niedersachsens Schlachtbetrieben stellen die Kontrolleure trotz tausendfacher Tötung nur selten Tierschutzverstöße fest. Die Opposition befürchtet Mauschelei vor Ort.

Geschlachtete Schweine: Missstände werden in Niedersachsen selten geahndet. Bild: dpa

Bei Verstößen gegen den Tierschutz müssen niedersächsische Schlachtbetriebe offenbar nur in Ausnahmefällen mit Strafen rechnen. 18,5 Millionen Schweine und über 430.000 Rinder wurden allein im vergangenen Jahr in Niedersachsen geschlachtet – meist wie am Fließband, in Akkordarbeit oder durch automatisierte Schlachtanlagen. Von Tierschutzverstößen wollen die Überwachungsbehörden dabei allerdings nur wenig mitbekommen haben: Nur fünf Mal verhängten sie Bußgelder, in einem Betrieb wurde zeitweise ein Schlachtstopp verhängt.

Meist belassen es die Behörden bei mündlichen oder schriftlichen Belehrungen, wie NDR Info jetzt berichtet. Für seine Recherche hatte der Radiosender alle Veterinärämter der Landkreise – zuständig für die Schlachthofüberwachung – abgefragt. Denn amtlich erfasst werden Tierschutzverstöße in Schlachtbetrieben in Niedersachsen nicht. Im Juli hatte Agrarminister Gert Lindemann (CDU) bei seinen Behörden erstmals Zahlen angefordert: In der Schweineschlachtung wurden 2011 demnach 38 Verstöße bei der Betäubung von Schlachttieren, zwölf bei der Entblutung festgestellt. In der Rinderschlachtung gab es laut Lindemann insgesamt 70 Verstöße.

Zahlen, an denen der Grünen-Agrarpolitiker Christian Meyer „erhebliche Zweifel“ hat. 100 registrierte Verstöße auf knapp 19 Millionen geschlachtete Tiere seien „nicht vorstellbar“, sagt er der taz. Nicht nur Tierschutzorganisationen machen immer wieder auf Quälereien wie unzureichend betäubte Tiere, die noch lebendig mit heißem Wasser verbrüht werden oder an Schlachthaken verbluten, aufmerksam. Erst im Juni räumte die schwarz-gelbe Bundesregierung Missstände in Schlachthöfen deutschlandweit ein. Und berichtete von Fehlerquoten von bis zu zwölf Prozent bei der Betäubung der Tiere.

Dass die Quoten ausgerechnet im „Schlachtboom-Land“ Niedersachsen weit niedriger liegen, „passt nicht“, wie Meyer es formuliert. Er vermutet vielmehr „Mauscheleien“ bei den Kontrollen vor Ort und befürchtet, „dass bei Tierquälerei ein Auge zugedrückt wird, weil der Schlachthof großer Arbeitgeber ist.“ Um das zu verhindern, fordern die Grünen mehr Kontrollen und eine Rotation der Amtsveterinäre: Statt stets in den gleichen Betrieben sollten sie in wechselnden Bezirken eingesetzt werden. Zudem sei zu prüfen, ob das Veterinärwesen nicht grundsätzlich von den Kommunen ans Land übertragen wird.

Und auch die Arbeitsbedingungen an den Schlachthöfen sorgen für „systembedingte Quälerei“, sagt Meyer. Dort schlachten meist Niedrigqualifizierte zu Dumpinglöhnen, zum Teil gibt es Prämien für das Töten möglichst vieler Tiere innerhalb kürzester Zeit. Einen Mindestlohn für die Branche aber lehnt Schwarz-Gelb in Niedersachsen mit Verweis auf die Tarifautonomie ab. Die sonstigen Arbeitsbedingungen sehen sie im Arbeitsschutzgesetz bereits geregelt.

Zu einer weiteren Stellungnahme für die taz war das Ministerium am Donnerstag nicht in der Lage. Dass es in Sachen Tierschutz in Schlachthöfen keinen Handlungsbedarf sieht, machte es bereits gegenüber NDR Info deutlich: Selbst eine regelmäßige Statistik über Verstöße lehnt man ab – wegen eines „unverhältnismäßigen, nicht zu rechtfertigenden bürokratischen Aufwands“, zitiert der Sender das Agrarministerium.

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