Bericht von Enquetekommission: Die Ökologie gibt die Grenzen vor

Der Ressourcenverbrauch muss vom Wachstum abgekoppelt werden, fordert die Wachstums-Enquete des Bundestages in einem Bericht.

Kaputtbar: Eine Kommission des Bundestages will, dass weniger Ressourcen verbraucht werden. Bild: reuters

BERLIN taz | Es ist die Gretchenfrage für eine zukunftsfähige Politik: Lässt sich das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts vom Wachstum des Verbrauchs von Ressourcen, Umwelt-, Biokapital und klimaschädlicher Emissionen entkoppeln? Eine Projektgruppe der Wachstums-Enquete des Deutschen Bundestags kommt nun zu dem in dieser Einhelligkeit überraschenden Ergebnis: Nötig wär’s. Am Montag stellt sie ihren Bericht in Berlin vor.

Die Enquetekommission, der 17 Parlamentarier und ebenso viele Wissenschaftler angehören, hatte sich im Januar 2011 konstituiert. In vier Projektgruppen sollen sie das rein ökonomisch und quantitativ ausgerichtete BIP als traditionellen Maßstab für gesellschaftliches Wohlergehen weiterentwickeln und um ökologische, soziale und kulturelle Kriterien ergänzen. Drei Gruppen sind jedoch in Zeitverzug oder bereits an ideologischen Grabenkämpfen gescheitert wie die mit dem Auftrag, den „Stellenwert von Wachstum in Wirtschaft und Gesellschaft“ zu diskutieren.

In dem Bericht der „Entkopplungsgruppe“, der der taz vorliegt, stellen die Mitglieder auf knapp 200 Seiten „die Lage des Planeten“ in sozialökologischer Perspektive dar. Sie beschreiben Probleme des Bevölkerungswachstums, die gestörten globalen Kreisläufe in den Bereichen Klima, Biodiversität und Stickstoff. Der Flächenverbrauch in Deutschland wird erwähnt, die Überfischung und „philosophisch-ethische Begründungen“ für die Festlegung von Grenzwerten in der Naturnutzung.

Geprägt ist der Bericht von der Suche nach Kompromissen. So findet sich beim sogenannten Fracking, der Förderung von Erdgas aus Gestein, sowohl der Hinweis auf Warnungen der US-Umweltagentur vor der Technik als auch die Entwarnung der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, bislang sei in Deutschland kein Grundwasser verschmutzt worden.

Innovationen lösen Probleme nicht allein

„Die ökologischen Grenzen des Planeten sind auch die Grenzen unseres Handelns“, sagt der Grüne Hermann Ott, der die Arbeitsgruppe leitet. Dass diese Erkenntnis von allen Parteien mitgetragen werde, sei ein Erfolg. Ebenso, dass alle die Einschätzung teilten, dass technologische Innovationen nicht genügen, um die daraus folgenden Probleme zu lösen.

Ausdruck findet das zum Beispiel in einem Gutachten zum Rebound-Effekt, das dem Bericht beiliegt. Danach führen Effizienzsteigerungen nicht dazu, dass weniger, sondern dass mehr Ressourcen verbraucht werden, weil die Einsparungen an anderer Stelle zu mehr Konsum genutzt werden. „Ich bin mit dem Nachdenken darüber noch lange nicht fertig, wie damit politisch umzugehen ist“, sagt der CDU-Abgeordnete Matthias Zimmer.

Judith Skudelny (FDP) betont, sie habe vor allem die Diskussion und die gute Zusammenarbeit mit dem Gewerkschaftsvertreter geschätzt. „In unseren Arbeitswelten haben wir sonst wenig Berührungspunkte“, sagt sie. „Für die Arbeit in der Enquete waren wir zusammen frühstücken.“ Eine neue Erkenntnis sei für sie gewesen, dass die Rohstoffprobleme nicht darin liegen, ob und wie lange die Rohstoffe verfügbar sind, sondern darin, dass die Atmosphäre nicht unendlich viel Treibhausgase aufnehmen kann.

Für einen gemeinsamen Maßnahmenkatalog fehlte bislang die Zeit, bis November soll er nachgereicht werden. „Was wir hier haben, ist der State of the Art der Debatte“, sagt Ulrich Brand, der als Experte für Umwelt und Nord-Süd-Fragen dabei ist. Sich auf Handlungsempfehlungen zu einigen, hält er nicht für nötig. „Wir sollten das ganze Spektrum der politischen Möglichkeiten darstellen“, sagt der Politikprofessor der Uni Wien. „Kompromisse würden das einschränken und wären schlecht.“

Das „Wesen der Politik“ sei es, unterschiedliche Lösungsansätze anzubieten und zu diskutieren, sagt Daniela Kolbe (SPD), die der gesamten Kommission vorsitzt. Sie habe beobachtet, dass alle Mitglieder der Entkopplungsgruppe „ein bisschen gelitten, sich dann aber geeinigt“ hätten. In der Analyse einen Konsens zu erreichen sei wichtig, wenn die Arbeit der Enquete in die reale Politik wirken wolle.

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