Lücke im Waffengesetz: Scharfe Schmuckwaffen

Wie genau Kriegswaffen unbrauchbar zu machen sind, ist gesetzlich nicht geregelt. Das zeigte ein Prozess in Bremen, bei dem es um ein Deko-Objekt ging, aus dem ein Maschinengewehr geworden war.

Schnell wieder flottgemacht: Das Modell M 249. Bild: US Army

Der Prozess ist kurz und er endet mit Freispruch. Das gewichtigere Urteil hat Richterin Ellen Best, Vizepräsidentin des Bremer Amtsgerichts, aber schon während der Verhandlung gesprochen: „Das ist eine echte Gesetzeslücke“, hat sie gesagt, „eine fast beängstigende Gesetzeslücke.“ Aufgetan hat sie sich im Kriegswaffenkontrollgesetz.

Denn das Strafverfahren gegen Michail W. hatte nicht nur in Erinnerung gerufen, dass im Internet unbrauchbar gemachtes Kriegsgerät legal vertickt wird. Vor allem hat der Prozess gezeigt: Eine verbindliche Regelung, wie diese Kriegswaffen unbrauchbar zu machen sind, fehlt. Auch gibt es keine Auflagen für die Käufer – außer, dass sie volljährig sein müssen.

Zwar hatte der Bundestag im Sommer 2011 das Kriegswaffengesetz so geändert, dass nur noch Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler eine einschlägige Verordnung zu erlassen bräuchte. Tut er aber nicht. Genauer, er „hat bereits erste Schritte unternommen, um eine entsprechende Rechtsverordnung auf den Weg zu bringen“, wie es auf Nachfrage heißt. Das klingt wenig konkret. In der Zwischenzeit gelte die bisherige Richtlinie fort. Deren Anwendung sei „von den Gerichten bisher nicht bemängelt“ worden.

Erstaunlich. Denn Kriegswaffen, die in Anwendung dieser Richtlinie unbrauchbar gemacht wurden, können erschreckend schnell repariert werden. So hatte der 23-jährige W. den vorgeschriebenen Defekt eher versehentlich beseitigt – mit einer simplen Feile. Einen Lauf hätte er noch gebraucht und scharfe Munition – und schon hätte er das 1956 gebaute, nie gebrauchte M 249 einweihen können. Das war unter Josip Tito Standardwaffe der jugoslawischen Armee und hat eine Kadenz von 1.200 Schuss pro Minute.

Das Maschinengewehr heißt jetzt Schmuckwaffe. Der Tisch im Amtsgericht reicht gerade so, um es aufzubauen: Der Waffenexperte der Kriminaltechnik hat’s aus dem Etui gezogen und in weniger als einer Minute zusammengesteckt. Da hockt es nun, auf seine Zweibeinlafette gestützt. Lauernd.

Optisch gibt es keinen Unterschied zwischen der Kriegswaffe, die das Maschinengewehr war, und dem Deko-Objekt, als das es gehandelt wird: „Hier war eine Schweißstelle“, sagt der Fachmann, „das ist die Rohrwechselklappe, dort, die Bodenstücksperre.“ Plombiert geblieben ist nur die Zuführung, die Patronen in die Kammer transportiert. Es sei also „noch nicht schießfähig“ gewesen, informiert der Waffenexperte das Gericht. „Es hätte aber mit wenigen Handgriffen schießfähig gemacht werden können.“

Der Umgang mit unbrauchbar gemachten Kriegswaffen kann laut Paragraf 13a des Kriegswaffenkontrollgesetzes "durch Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Wirtschaft […] beschränkt werden". Sprich: Der Wirtschaftsminister könnte ihn sogar verbieten.

Der Paragraf definiert "unbrauchbar gemachte Kriegswaffen" als "Kriegswaffen, die durch technische Veränderungen endgültig die Fähigkeit zum bestimmungsgemäßen Einsatz verloren haben und nicht mit allgemein gebräuchlichen Werkzeugen wieder funktionsfähig gemacht werden können" - was präzise klingt, es aber nicht ist.

Deshalb wurde im vergangenen Jahr ergänzt: "Durch Rechtsverordnung kann bestimmt werden, auf welche Weise Kriegswaffen unbrauchbar zu machen sind und in welcher Form ihre Unbrauchbarmachung nachzuweisen ist."

Warum er am für 300 Euro erworbenen MG noch rumgefeilt hat? Er habe, erklärt der 23-Jährige, das Gerät von technischem Öl reinigen wollen. Das sei aus dem Inneren des MG in den Schrank getropft, auf dem es stand, und habe übel gestunken.

Könnte eine Ausrede sein. Aber die Umstände beglaubigen sie: Offenbar hatte der Angeklagte wirklich nicht versucht, einen funktionstüchtigen Lauf oder scharfe Munition zu besorgen. Und das MG stellt er den Kriminaltechnikern zur Verfügung. „Ich will’s nicht zurück“, sagt er zu Beginn – auch nach dem Freispruch. Dabei war er legaler Besitzer und auch wenn er jetzt wieder einen Job hat, sind 300 Euro eine stolze Summe: „Ich hab’ keinen Bock mehr auf Waffen.“

Dass Michail W. an dem Gerät nicht hätte basteln dürfen, konnte er kaum ahnen. Denn selbst die Fachleute sind uneins, was daran verboten war. Logisch. Denn solange es nur eine unverbindliche Richtlinie des Bundesamtes für Ausfuhr (Bafa) gibt, welche Teile eines MG wie zugeschweißt sein sollten, muss auch unklar sein, was wegzufeilen nicht erlaubt ist. Bafa und Bundeskriminalamt streiten ja selbst darüber, ob eine Ex-Kriegswaffe denn als Waffe gelten sollte, sobald man nicht-automatisch einzelne Schüsse mit ihr abfeuern kann.

Das ist beunruhigend, wenn man auf die Kreise der Militaria-Sammler schaut: Michail W. hat sein Schmuck-Gewehr bei einem Hamburger Online-Shop bezogen. Auf der Facebook-Seite hat das Geschäft Figuren wie einen gewissen „Wilhelm Kampf“ als Follower – ein Pseudonym, dessen Urheber als Profilbild ein Hitlerporträt gewählt hat.

Der Inhaber des Shops, der Diplom-Kaufmann Heiko Z., pflegt die Präsenz im Sozialen Netzwerk, indem er kriegsverherrlichende Videos einstellt, an gefallene Wehrmachtssoldaten erinnert und postet, nach Frankreich „nur auf Ketten“ zu fahren. Als Logo für seinen Versand hat er sich ein stilisiertes Eisernes Kreuz ausgesucht – mit überdecktem Mittelstück. Da prangte beim Originalorden das Hakenkreuz.

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