Fehler bei Transplantationen: Auffällige Lebern auch in München

Am Klinikum rechts der Isar haben Patienten aufgrund falscher Laborwerte schneller Organe erhalten. Um gezielte Manipulation handelt es sich wohl nicht.

Verpflanzte Organe: Transplantationszentren werden regelmäßig geprüft. Bild: dpa

BERLIN taz | Die Manipulationsskandale an den Unikliniken Regensburg und Göttingen haben Konsequenzen: Künftig werden alle 47 Transplantationszentren in Deutschland mindestens alle drei Jahre einmal vor Ort auf etwaige Unregelmäßigkeiten bei der Organvergabe an Patienten überprüft.

Das kündigten die zuständige Prüfungs- und die Überwachungskommission bei der Bundesärztekammer am Mittwochabend an. Den Teams würden je zwei Mitglieder der Prüfungs- oder der Überwachungskommission angehören, zwei unabhängige Ärzte sowie Vertreter der zuständigen Landesministerien.

Bereits im September seien auf diese Weise die Lebertransplantationsprogramme am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, der Charité in Berlin sowie der Technischen Universität München (Klinikum rechts der Isar) überprüft worden. Dabei seien in München „mehrere Auffälligkeiten“ festgestellt worden, die die „Einleitung einer Sonderprüfung“ erfordert hätten. Ergebnisse stünden noch aus.

Am Donnerstag legte der Bundesärztekammer-Präsident Frank-Ulrich Montgomery im Bayerischen Rundfunk nach: „Es geht in etwa in die Richtung wie in Göttingen und Regensburg“, polterte Montgomery. Dort wurden Labordaten gefälscht, um Patienten schneller zu einem Organ zu verhelfen. Zudem sei er „irritiert“ über das Informationsverhalten der bayerischen Behörden, so Montgomery.

Prüfung aller Lebertransplantationen seit 2007

Sowohl das Klinikum rechts der Isar als auch die Behörden in München reagierten verschnupft und wiesen Vorwürfe absichtlicher Manipulationen zurück. Das Klinikum habe von sich aus und bereits vor etwa einem Monat nach eigener interner Prüfung sämtlicher 163 Lebertransplantationen zwischen Januar 2007 und Juli 2012 sieben auffällige Fälle an das Wissenschaftsministerium gemeldet, sagte ein Ministeriumssprecher. Dabei habe es nach bisherigem Stand aber keine absichtliche Manipulation von Patientendaten gegeben.

Der Ärztliche Direktor der Klinik, Reiner Gradinger, erklärte am Donnerstag, während der Prüfung seien „Unstimmigkeiten bei Angaben zur Dialyse sowie bei Laborwerten“ festgestellt worden. In mindestens zwei Fällen, die der taz bekannt sind, führte die Übermittlung falscher Laborwerte beziehungsweise ein Fehler bei der Angabe der Dialysedaten dann tatsächlich dazu, dass Patienten auf der Organ-Warteliste hochrückten.

Sie erhielten so eine Spenderleber, die ihnen normalerweise nicht zugestanden hätte. Gradinger hatte bereits im August in einem Gespräch mit der taz die Fälle offengelegt und eingeräumt, es handele sich „um Fehler und Irrtümer unsererseits“ – allerdings aufgrund ärztlichen Versehens, „und eben nicht um kriminelle, systematische Verfälschungen“.

Klinikum soll Ärztekammer selbst informiert haben

Um diese Fälle „transparent und lückenlos“ aufzuklären, sei der Abschlussbericht am 24. August an die Bundesärztekammer sowie an die Staatsanwaltschaft geschickt worden, teilte Gradinger am Donnerstag mit. Es sei eine „Frechheit“, sagte ein Klinikmitarbeiter, der nicht namentlich zitiert werden wollte, der taz, „dass Montgomery jetzt behauptet, die festgestellten Auffälligkeiten seien das Verdienst seiner eigenen Prüfung“.

Diese Darstellung bestätigte ein Sprecher der Münchner Staatsanwaltschaft: Das Klinikum habe der Staatsanwaltschaft von sich aus die Daten übergeben; derzeit gebe es „keinen ausreichenden Anfangsverdacht, der Ermittlungen rechtfertigen würde“. Allerdings habe die Staatsanwaltschaft einen medizinischen Sachverständigen mit der Datenauswertung beauftragt.

Dass man sich überhaupt mit dem Fall beschäftige, liege an einem anonymen Schreiben aus dem Sommer, in dem der Klinik Unregelmäßigkeiten vorgeworfen worden seien. Daraufhin habe die Klinik Strafanzeige gegen unbekannt wegen Verleumdung gestellt.

Der für die Organvergabe verantwortliche Medizinische Direktor der Stiftung Eurotransplant, Axel Rahmel, sagte der taz, man müsse bei allem Verständnis für Transparenz und Aufklärung „aufpassen, dass man Auffälligkeiten nicht sofort mit Fehlern gleichsetzt“.

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