Kommentar Gefahrengebiete: Ein Fall für Karlsruhe

Das polizeiliche Instrument mit dem anhand des Outfits entschieden wird, ob jemand verdächtig ist, gehört vor das Bundesverfassungsgericht.

Die Polizei schäumte: „Infam“ und „hinterhältig“ nannte sie 1990 die Proteste gegen die „Phantom der Oper“-Premiere im neu eröffneten Musicaltheater an der Holstenstraße. Denn diejenigen, die sich da gegen eine befürchtete Schicki-Mickisierung wandten, hatten sich in Schale geworfen: Die Rote-Flora-Frauen hatten Stöckelschuhe und das kleine Schwarze unterm Bett hervorgekramt, die Männer Ausgehschuhe und feinen Zwirn an – um so durch die Polizeisperren bis vor die Türen der Promi-Gala zu kommen. Hinterhältig, in der Tat.

Auch heute geht es wieder um Outfit-Fragen: Darum, ob die Polizei jemanden als Gewalttäterin einstufen darf, so dass die Betroffene nicht mal mehr ungehindert ihre eigene Wohnung erreicht – alles, weil sie ein schwarzes Kapuzen-Sweatshirt trägt. Und es geht hier nicht nur um Einzelfälle: In den beiden Nächten des 1. Mai 2011 sind ohne konkreten Verdacht 1.245 Personen kontrolliert und 389 durchsucht worden, 318 erhielten ein Aufenthaltsverbot. Selbst einer Mutter, die zu ihrer Tochter wollte, verwehrten Polizisten den Zutritt ins angebliche Gefahrengebiet.

Auch wenn das Verhalten der Polizei im aktuellen Fall für rechtswidrig erklärt werden sollte: Das polizeiliche Instrument namens Gefahrengebiet gehört nach Karlsruhe: vor das Bundesverfassungsgericht.

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Jahrgang 1956, Seit 1983 bei der taz – zuerst bei der taz.hamburg und jetzt bei der taz.nord in Hamburg. Ressorts: Polizei, Justiz, Betrieb und Gewerkschaft. Schwerpunkte: Repression, progressive Bewegungen und Widerstand gegen Gentrifizierung

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