Krankheit: Dem Senat was husten

Die Fälle von Verdacht auf Tuberkulose in der Stadt nehmen zu. Obdachlose und Flüchtlinge werden jedoch nicht schnell genug auf die Krankheit hin untersucht.

"Wartezeiten von vier bis sechs Wochen" Bild: dpa

Das Land Berlin schafft es nicht, Menschen in Gemeinschaftsunterkünften schnell genug auf Tuberkulose zu untersuchen. Die angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt und die schlechte Personalausstattung der Bezirke tun dabei ein Übriges. „Wir haben derzeit Wartezeiten von vier bis sechs Wochen für eine Untersuchung“, sagt Lichtenbergs Gesundheitsstadträtin Christina Emmrich (Linke). Gesetzlich steht das Land jedoch in der Pflicht, Menschen unmittelbar nach Einzug in eine Gemeinschaftsunterkunft, spätestens aber am dritten Tag zu untersuchen. Gemeinschaftsunterkünfte sind etwa Asylbewerberheime, Obdachlosenquartiere oder betreute Wohngruppen für Jugendliche oder psychisch kranke Menschen.

Das Berliner Tuberkulosezentrum, das die Untersuchungen und Behandlungen für die ganze Stadt wahrnimmt, untersteht dem Bezirk Lichtenberg. Nach Angaben des Zentrums gab es bei Pflichtuntersuchungen in den ersten acht Monaten dieses Jahres mehr als 20 Fälle eines hochgradigen Verdachtes. Die Betroffenen würden daraufhin aus der jeweiligen Unterkunft heraus in ein Krankenhaus gebracht und behandelt werden, hieß es. Ob sich die Verdachtsfälle bestätigten, war unklar.

Weil in Gemeinschaftsunterkünften Menschen oft auf engstem Raum miteinander leben, ist die Ansteckungsgefahr dort besonders hoch. Hinzu kommt, dass viele Bewohner etwa in Flüchtlingsheimen aus Bürgerkriegs- und Krisengebieten stammen oder unter anderen widrigen Bedingungen gelebt haben, sodass die Gefahr einer Tuberkuloseerkrankung besteht. Noch gebe es zwar in Berlin keinen Fall, in dem ein Patient mit einer offenen Tuberkulose einen Mitbewohner angesteckt habe, sagte Glaser-Paschke. „Aber wir können das für die Zukunft nicht ausschließen.“ Mehrere Heimbetreiber hätten bereits ihre Sorgen geäußert.

Ein Grund für die langen Wartezeiten ist, dass immer mehr Menschen in der Stadt in Gemeinschaftsunterkünften leben. Nach Berlin kommen derzeit so viele Flüchtlinge wie seit zehn Jahren nicht mehr – und immer weniger finden eine Wohnung. Derzeit leben 3.900 Flüchtlinge in Heimen. In der bevorstehenden kalten Jahreszeit werden zudem wieder mehr Obdachlosenunterkünfte eingerichtet.

Außerdem kann Lichtenberg kein zusätzliches Personal für das Tuberkulosezentrum einstellen, sagt Bezirksbürgermeister Andreas Geisel (SPD): „Der Senat fordert von uns, 274 Stellen abzubauen.“ Gemeinsam mit seiner Gesundheitsstadträtin sieht er deshalb den Senat in der Pflicht. „Wir nehmen eine Aufgabe für ganz Berlin wahr“, sagt Geisel. „Da muss der Senat Geld für mehr Personal und für mehr Räume für die Behandlungen zur Verfügung stellen.“

Unterstützt wird Lichtenberg vom Flüchtlingsrat. Dessen Sprecherin Martina Mauer weist darauf hin, dass viele Flüchtlingskinder in Berlin nicht zur Schule gehen, weil sie noch nicht auf Tuberkulose untersucht werden konnten. Ohne diese Untersuchung dürfen die Schulen die Kinder nicht aufnehmen. „Darum sind lange Wartezeiten ein unhaltbarer Zustand.“

In der Senatsverwaltung für Gesundheit sieht man die Verantwortung in erster Linie beim Bezirk. Dieser „agiert eigenständig und muss auch eigenständige Lösungsvorschläge entwickeln“, so Sprecherin Regina Kneiding. Lichtenberg habe für diese überbezirkliche Aufgabe schließlich Personal vom Land zugewiesen bekommen. Weil die Zahl der Fälle von Tuberkuloseverdacht in Berlin steige, müsse die Personalausstattung des Tuberkulosezentrums allerdings überdacht werden, räumt sie ein. Die Staatssekretärin für Gesundheit, Emine Demirbüken-Wegner (CDU), habe sich deshalb „unverzüglich an die Senatsverwaltung für Finanzen gewandt“. Auf eine Antwort müsse man jedoch noch warten.

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