Justizministerin Zypries: Erziehungscamps sind sinnvoll

SPD-Justizministerin Brigitte Zypries findet, dass kriminelle Jugendliche in Erziehungscamps gut aufgehoben sind, wenn dort gegenseitiger Respekt gelehrt wird. Findet die Union auch.

In den Augen der Union ideal: Das hessische Trainingscamp für vorbestrafte Jugendliche des Ex-Boxers Lothar Kannenberg Bild: dpa

SPD und Union sind in der Diskussion um "Erziehungscamps" für kriminelle Jugendliche offenbar gar nicht so weit auseinander. Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) erklärte auf taz-Anfrage, sie halte solche Einrichtungen für "sinnvoll, wenn sie auf gegenseitigem Respekt beruhen". Sie lehne nur Boot Camps nach US-Muster ab, in denen Jugendliche "gedemütigt und erniedrigt" würden.

Damit ist sie nicht weit entfernt vom CDU-Fraktionschef Volker Kauder und seinem Stellvertreter Wolfang Bosbach. Kauder hatte nach dem brutalen Angriff auf einen Münchener Rentner die Forderung nach "Erziehungscamps mit einem therapeutischen Gesamtkonzept" aufgebracht. Bosbach stellte klar, dass damit nicht die US-Vorbilder gemeint seien, in denen der Wille der Jugendlichen durch militärischen Drill gebrochen wird. Es gehe eher um Einrichtungen wie das Trainingscamp des Ex-Boxers Lothar Kannenberg im nordhessischen Diemelstadt-Rhoden.

Dort leben jeweils rund zwanzig Jungen im Alter von 14 bis 18 Jahren in der Blockhüttensiedlung eines ehemaligen Forstlehrbetriebs. Der Alltag ist geprägt vom Boxsport, bei dem die Jugendlichen Aggressionen ablassen, aber auch Fair Play üben. Zwischendurch gibt es laut Konzept handwerkliche Kurse, Gruppenarbeit, aber auch pädagogische Einzelgespräche. Die Jugendlichen sind freiwillig im Box-Camp. "Eine dauerhafte Änderung kann nur ohne Druck erfolgen", betont Kannenberg. Mit US-Camps will er nichts zu tun haben. Bundespräsident Horst Köhler verlieh ihm für seine Arbeit das Bundesverdienstkreuz.

Kannenberg will den Jugendlichen vermitteln, Stärke nicht zur Unterdrückung zu benutzen, sondern um andere aufzubauen. Immer wieder finden so genannte Überlebenstrainings statt, bei denen sich eine Gruppe abseits von Wegen zum Ziel durchschlagen muss. "Wenn die Gruppe ankommen will, müssen sich die Jugendlichen gegenseitig mitziehen", erklärt Kannenberg, "dabei erlebt sich jeder Kraftprotz auch einmal als schwach und muss seine Maske fallen lassen."

In seiner Außendarstellung passt das Box-Camp gar nicht so zu Roland Kochs Wahlkampagne für ein härteres Jugendstrafrecht. "Wärme, Liebe und Geborgenheit" will Kannenberg den Problem-Jugendlichen vermitteln. Gegessen wird stets im heimeligen Kerzenschein. Allerdings gibt es auch Kollektivstrafen. Fehlt ein Jugendlicher oder kommt er zu spät, muss die Gruppe Kniebeugen oder Liegestützen machen.

Sechs Monate bleiben die Jugendlichen im Camp. Zunächst sollen sie mit ihrer kriminellen Vergangenheit brechen, dann lernen, für andere Verantwortung zu übernehmen. Am Schluss soll mit Eltern und Jugendämtern eine Perspektive erarbeitet werden. 80 Prozent seiner Schützlinge blieben anschließend straffrei, sagt Kannenberg nach vierjähriger Erfahrung. Eine Begleitstudie soll diesen sensationell guten Wert bestätigen. In Jugendgefängnissen ist das Verhältnis umgekehrt ist: 80 Prozent der Entlassenen verüben neue Straftaten.

Kannenbergs Camp lebt stark von der Persönlichkeit des 50-jährigen, der selbst als Jugendlicher gewalttätig und drogenabhängig war. Über den Sport hat er Disziplin gelernt, wurde nach erneuter Drogensucht später Sozialarbeiter.

Für die Einrichtung von Kannenbergs Box-Camp bedurfte es keiner gesetzlichen Änderung. Überwiegend werden dort Jugendliche betreut, die von Jugendämtern aus ganz Deutschland geschickt werden. Es handelt sich dabei nicht um eine Strafe, sondern um Sozialarbeit. Laut Selbstdarstellung sollen zudem Jugendliche bis zur Gerichtsverhandlung betreut und behandelt werden.

Möglich wäre aber auch, Jugendliche, die zu einer Jugendstrafe verurteilt wurden, in Camps à la Kannenberg unterzubringen. Wohl alle Ländergesetze sehen vor, dass der Jugendstrafvollzug auch "in freien Formen" stattfinden kann. Am weitesten ging mit solchen Ansätzen bisher Baden-Württemberg. Im "Projekt Chance" lernen 30 junge Straftäter, außerhalb des Gefängnisses in Gruppen zu arbeiten, Sport zu treiben und die Freizeit sinnvoll zu gestalten.

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