Friedensnobelpreis für die EU: Eine Union mit 17 Euros

Wirtschaftlich wird die ausgezeichnete Europäische Union längst wieder nationaler. Die Einheitswährung ist nicht mehr überall gleich viel wert.

Wir alle sind jetzt nobel. Bild: dapd

BERLIN taz | Ohne die Eurokrise wäre das Nobelkomitee niemals auf die Idee gekommen, den Preis an die EU zu vergeben. Daher stellt sich die Frage, was die Krise in Europa bewirkt hat?

Ökonomisch ist die Antwort eindeutig: Europa wird nationaler. Die Finanzmärkte „desintegrieren“ sich, wie es auf Technisch-Deutsch so schön heißt. Obwohl es noch eine Gemeinschaftswährung namens Euro gibt, existieren in der Realität bereits 17 verschiedene Währungen, die als unterschiedlich wertvoll gelten.

Erstes Beispiel: Ein Euro auf einer griechischen Bank gilt nicht mehr als so sicher wie ein Euro auf einer deutschen Bank – es könnte ja sein, dass demnächst wieder die Drachme eingeführt wird. Also ziehen die Griechen ihr Geld ab und parken es in Deutschland. Sie versuchen damit, aus ihrem griechischen Euro einen deutschen Euro zu machen.

Weniger Geld: In Zeiten der Krise muss auch die Nobel-Stiftung sparen. Da ihr Anlagevermögen weniger Gewinn abwirft, sind fast alle Nobelpreise nur noch mit 8 Millionen schwedischen Kronen dotiert. Letztes Jahr gab es noch 10 Millionen.

Mehr Geld: Die EU profitiert aber auch von der Krise. Denn der Euro hat im Vergleich zur schwedischen Krone an Wert verloren. Vor einem Jahr hätte die EU für die 8 Millionen schwedischen Kronen nur 877.000 Euro bekommen, heute sind es 924.000 Euro.

Kleingeld: Auf jeden der 502,5 Millionen EU-Bürger entfällt ein Preisgeld von 0,18 Cent. (ga)

Zweites Beispiel: Umgekehrt fließt kein Geld mehr in den Süden. Deutsche Banken oder Versicherungen sind derzeit nicht bereit, ihr Geld in Spanien oder Portugal anzulegen. Die Investoren bleiben in ihrer Heimat – oder weichen in die USA oder nach Brasilien aus. Es ist bizarr: In Zeiten des globalen Finanzkapitalismus ist die Eurozone zu einem Hort der nationalen Finanzströme geworden.

Verzerrter Wettbewerb

Drittes Beispiel: Ein profitables Unternehmen in Italien hat nicht die gleichen Chancen wie eine ähnlich strukturierte Firma in Deutschland. Denn das deutsche Unternehmen bekommt die Kredite hinterhergeworfen – und muss nur noch niedrigste Zinsen zahlen. Schließlich gilt Deutschland als sicher. Die gleiche Firma in Italien muss deutlich höhere Kreditkosten erdulden. Das ist keine Banalität, sondern verzerrt den Wettbewerb. Durch die Zinsvorteile kann das deutsche Unternehmen deutlich billiger produzieren als das italienische – obwohl beide Firmen ursprünglich gleich profitabel waren. EZB-Chef Draghi sagt dazu: „Die Geldpolitik funktioniert nicht.“

Geld ist ein soziales Konstrukt und daher sehr anfällig für psychologische Massenphänomene. Dass es momentan 17 Euros gibt, drückt vor allem eine allgemeine Panik aus und heißt nicht, dass man nicht zu einem einzigen Euro zurückfinden könnte.

Aber momentan ist der berühmte Satz von Angela Merkel falsch, der da lautete: „Wenn der Euro scheitert, scheitert Europa.“ Denn der Konditional stimmt nicht. Den einen Euro im Singular gibt es derzeit nicht.

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