Die Wahrheit: Das fünfte Tier

Neugier bringt die Katze um, meint eine Redensart. ...

Neugier bringt die Katze um, meint eine Redensart. Schleichen wir aber an jene greise Katze heran, die einst am Wegesrand kauerte und ein Gesicht wie drei Sommertage Regenwetter machte. Es war ihr wie dem Esel und dem Hund ergangen, die just vorbeitrotteten.

Zu abgezehrt für die Schinderei, waren sie ihren Herren entflohen, da diese sie Hungers sterben lassen oder gleich totschlagen wollten. Einig waren sich die drei, zu denen sich bald darauf ein Hahn gesellte: Etwas Besseres als den Tod findest du überall. Bremen jedoch, wo sie als Musikanten vorzuspielen trachteten, erreichten sie nie. Stattdessen bezogen sie ein Häuschen im finsteren Walde, aus dem sie eine Räuberbande verjagt hatten.

In der Redewendung, die von Neugier abrät, klingt die gereimte Phrase an, die besagt: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Die meisten Erzähler immerhin wissen nicht, dass ein fünftes Tier aus dem Märchen getilgt worden ist. Allerdings streiten sich die spärlichen Quellen, ob es sich um eine Fledermaus, eine Ziege oder einen Jamaika-Sturmvogel handelte, eine Art, die zuletzt im Dezember 1879 dokumentiert worden ist, mithin als ausgestorben gilt. Genauso widersprechen sich die Ursprungsvarianten, warum das fünfte Tier nicht bis zum Räuberhaus gelangte, sondern die Aufforderung vonseiten des querenden Quartetts ignoriert und sich nicht anschließt.

Hiermit sei es aufgeklärt. Nach meinen akribischen Recherchen zog das fünfte, gleichsam verschollene Tier – vermutlich war’s ein Teufelsrochen – einen anderen Schluss aus dem Dilemma: „Etwas Besseres als den Tod findet man überall, ich finde es in der Bestattungsbranche.“

Und richtig, der Teufelsrochen ersann kurz darauf das Metier der Thanatopraxie, ein Begriff, der eingangs den Namen des altgriechischen Totengottes trägt und in der zweiten Hälfte das Wort für Handwerk.

Es liegt auf der Hand, dass sich im Zuge der industrialisierten Verwissenschaftlichung und verwaltungstechnischen Optimierung auch die Ausbildung zum geprüften Thanatopraktiker nach gewissen Maßgaben und Kriterien richtet. Im Kontrast zu den Verzweigungen eines Märchens lassen sich die Hauptaufgaben eindeutig definieren. Die Tätigkeit umfasst etwa die „innere und äußere Desinfektion des Körpers, wobei die Vermehrung von gefährlichen Mikroorganismen unterbunden wird. So wird der direkte Kontakt der Angehörigen zum Verstorbenen möglich.“

Des Weiteren stellen Thanatopraktiker die „optische ästhetische Erscheinung“ wieder her oder nehmen „Rekonstruktionsarbeiten am Verstorbenen nach Gewalteinwirkung“ vor. Eine Aufgabe betrifft obendrein die wachsende Zahl an „grenzüberschreitenden Transporten von Verstorbenen“, wofür die Leichname zu konservieren sind.

Der Raum versagt uns, ausführlicher auf das boomende Gewerbe einzugehen, zumal der Trauermonat November noch auf sich wartet. Lieber wenden wir uns abermals dem fünften Tier zu, neigen den Kopf, sagen Chapeau, ziehen den Hut und nehmen es auf unsere Kappe.

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kari

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