Friedensgespräche in Kolumbien: „Zivilgesellschaft muss dabei sein“

Am Donnerstag nimmt Kolumbiens Regierung Friedensgespräche mit der Farc-Guerilla auf. Exsenatorin Piedad Córdoba erklärt, wer am Verhandlungstisch fehlt.

Nackter Protest: DemonstrantInnen in Medellín fordern zivilgesellschaftliche Teilnahme an den Friedensgesprächen. Bild: dapad

taz: Frau Córdoba, worum geht es bei den Gesprächen: Dialog oder Verhandlungen?

Piedad Córdoba: Es gibt eine 5-Punkte-Vereinbarung, nach der man vorgehen wird. Das wird hoffentlich in eine Agenda münden, die wirklich eine ökonomische, politische und soziale Transformation im Land voranbringt. Das Wichtigste: Die Opposition muss Garantien bekommen, dass sie wirklich Oppositionsarbeit machen kann. Und vor allem muss das Wahlsystem verändert werden.

Also wird es nicht vor allem um militärische Fragen gehen?

Wenn man nur über militärische Fragen verhandelt, geht man an den Wünschen des kolumbianischen Volkes vorbei, das sich Reformen und Veränderungen wünscht. Und wir dürfen nicht so tun, als würden wir, die wir Reformen wünschen, durch die Farc oder die ELN repräsentiert. Die Volksbewegungen haben ihre eigenen Vorstellungen.

Wie werden die denn in den Prozess eingebracht?

Es muss und wird große Mobilisierungen auf der Straße geben. Dort müssen wir die Reformen erkämpfen, die wir anstreben. Die Vorschläge der Regierung haben keine Legitimität, wenn die Zivilgesellschaft am Verhandlungstisch nicht dabei ist.

Die 57-jährige Juristin gehörte von 1994 bis 2010 dem kolumbiansichen Senat an. 1999 wurde sie von Paramilitärs entführt, überlebete später zwei Anschläge. 2007 vermittelte sie bei einer Geiselfreilassung. Wegen angeblicher Verbindungen zur Farc verlor sie 2010 ihren Senatorenposten. Córdoba ist Mitbegründerin der „KolumbianerInnen für den Frieden“.

Alle bisherigen Regierungen, auch die von Santos, haben stets die Auffassung vertreten, mit der Farc ausschließlich über ihre Entwaffnung und die Bedingungen ihrer Demobilisierung sprechen zu wollen. Wie weit, glauben Sie, ist es jetzt möglich, über eine politische Agenda zu verhandeln?

Wenn der Präsident klug ist, begreift er, dass das Land Reformen braucht und dass man darüber am Verhandlungstisch sprechen muss. Wenn die Reformforderungen der Gesellschaft unbeachtet bleiben, dann wäre das ja kein Friedensprozess, sondern einfach eine Kapitulation.

Nach 50 Jahren Konflikt: politische Lösung gesucht

Friedensdialog: Vertreter der kolumbianischen Regierung und der Farc-Guerilla wollen ab Donnerstag in Oslo zu Gesprächen zusammenkommen. Am Mittwoch findet eine Pressekonferenz statt. Die eigentlichen Verhandlungen sollen in einigen Tagen in Kuba stattfinden.

Themen: Auf der Agenda in Oslo und Havanna stehen nach sechsmonatigen Vorverhandlungen unter anderem Agrarreformen, politische Rechte für die Rebellen und deren Entwaffnung.

Vermittler: Norwegen, Kuba, Venzuela und Chile haben die Gespräche ermöglicht und wollen sie weiter unterstützen.

Hoffnungen: Seit 1984 ist das der vierte Anlauf, den seit 50 Jahren andauernden Konflikt politisch zu lösen. Die Farc ist militärisch stark geschwächt, das Land ist kriegsmüde. Präsident Juan Manuel Santos zeigt sich verhandlungsbereit.

Was wären Ihrer Ansicht nach die Minimalbedingungen, unter denen sich die Farc demobilisieren würde?

Zuerst die Anerkennung als politische Kraft. Zweitens die Streichung der Farc von der Terrorliste. In dieser Hinsicht ist es bereits ein Fortschritt, dass europäische und lateinamerikanische Regierungen als Vermittler auftreten. Aber auch Themen wie die ländliche Entwicklung gehören dazu, und ein Ende des Paramilitarismus.

Der ehemalige Präsident Álvaro Uribe und seine Anhänger sind noch immer stark auf der Rechten. Sie lehnen diese „Verhandlungen mit Terroristen“ ab. Beschränkt das nicht die Verhandlungsfähigkeit der Regierung Santos?

Wir haben schon immer gesagt, dass mit Uribe der Paramilitarismus an die Macht gekommen war. Heute gibt es Prozesse, es gibt Geständnisse von Generälen, Strafverfahren. Uribe steht gerade überhaupt nicht mehr gut da. Das schafft Möglichkeiten für Santos.

Wie beurteilen Sie heute die Regierung Santos? Deren internationales Image ist sehr gut.

Es kann nicht sein, dass Medien so titeln, als sei Kolumbien schon ein Postkonfliktland und alles ganz prima. Zwei Beispiele: Erst ein Entschädigungsgesetz zu verabschieden und dann zu erklären, es gebe Haushaltsprobleme bei den Entschädigungsleistungen und daher könne nicht gezahlt werden – das ist eine Veräppelung der Betroffenen. Das Gleiche mit dem Landrückgabegesetz: Das wurde mit großem Pomp und unter internationaler Anwesenheit unterzeichnet – und dann wurden bislang 70 Aktivisten umgebracht, die sich für Landrückgabe nach dem Gesetz einsetzten.

Und der Friedensprozess?

Genauso. Man kann sich doch nicht zu Verhandlungen hinsetzen und gleichzeitig weiterhin versuchen, so viele Guerilleros umzubringen wie möglich. Deshalb drängen wir auf einen Waffenstillstand. Ohne den kann kein Klima entstehen, in dem man mit Dialog in Richtung einer politischen Lösung vorankommt.

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