Filmemacher diskutieren mit Kritikern: Ungeliebt und unverstanden

Deutsche Filmemacher fühlen sich von den Kritikern oft ungerecht behandelt. Die Deutsche Filmakademie ließ beide Seiten miteinander diskutieren.

Ein Streitpunkt: Die Vergabekriterien des Deutschen Filmpreises. Bild: dpa

BERLIN taz | „Filme gibt es auch ohne Kritik, aber die Kritik nicht ohne Filme“, stellte der Produzent Sven Burgemeister gleich zu Beginn fest. Tatsache, doch im weiteren Verlauf der Podiumsdiskussion gewann man den Eindruck, die Filmemacher würden sich sehr viel mehr an der Kritik abarbeiten als umgekehrt. „Wir müssen reden“ – unter diesem Motto hatte die Deutsche Filmakademie am Freitagabend in Berlin eine Podiumsdiskussion veranstaltet, in der Filmemacher und Filmkritiker aufeinandertrafen.

Dass es Redebedarf auch von Seiten der Filmkritiker gibt, zeigt ein Offener Brief, in dem sich am Donnerstag zwanzig Filmjournalisten an die Deutsche Filmakademie gewandt haben. Die Unterzeichner fordern die Filmakademie auf, die Vergabe des Filmpreises, der Lolas, zu überdenken.

Im Moment stimmen die über 1.300 Mitglieder der Akademie über die Sieger des Filmpreises ab, was, so die Filmkritiker, zu einer „unübersehbaren Tendenz zum kleinsten gemeinsamen Nenner, zu einem Konsenskino" führe. Dies sei besonders fragwürdig, denn der Filmpreis ist mit der Vergabe von drei Millionen Euro Fördergeldern verknüpft, woraus eine besondere Verantwortung für die Akademie erwachse.

Noch vor der Veranstaltung am Freitag wies die Filmakademie die Kritik zurück. Die schon länger anberaumte Gesprächsrunde wollte man nun nicht zu einer Diskussion um den Filmpreis umfunktionieren, sondern beim eigentlichen Thema bleiben: die Beziehung zwischen Filmkritik und Filmbranche.

Überraschungsgast Til Schweiger

Unter der Moderation von Alfred Holighaus, Geschäftsführer der Filmakademie, sprachen die ProduzentInnen Manuela Stehr und Sven Burgemeister, der Filmemacher Marc Rothemund und die FilmkritikerInnen Cristina Nord (taz), Andreas Kilb (FAZ) und Peter Körte (FAS) – alle drei Unterzeichner des Offenen Briefes. Als kurzfristig angekündigter Gast stieß Filmemacher und Schauspieler Til Schweiger dazu, der ja eine ganz besondere Hass-Beziehung zur Filmkritik pflegt, die sich unter anderem darin ausdrückt, dass er seine Filme der Presse nicht mehr vorab zeigt.

Von Beginn an befanden sich die Filmemacher in der offensiveren Position. Sehr schnell wurde deutlich, dass große Uneinigkeit schon darüber herrscht, was Kritik an sich leisten soll. Die Produzenten Burgemeister und Stehr wünschten sich eine besondere Sympathie, ja Verantwortung der Kritik gerade dem deutschen Film gegenüber, der es nicht leicht habe, was Produktion und auch Distribution angehe. Man müsse doch „Seite an Seite“ gehen und „den deutschen Film in der Wahrnehmung nach vorne bringen“, so Stehr.

Während Andreas Kilb ein gewisses Verständnis dafür einräumte, wollte sich Cristina Nord die Rolle des Advokaten für den deutschen Film ganz und gar nicht auferlegen. Sie spüre weder eine besondere Liebe noch eine besondere Verantwortung gegenüber dem deutschen Film, höchstens gegenüber Film generell. Ihre Aufgabe sehe sie darin, in Texten „ästhetische Phänomene nachvollziehbar und anschaulich zu machen“ und einen Diskurs anzuregen.

Auch was die Macht der Filmkritik angeht, waren die Teilnehmer sich uneins. Interessanterweise hielten die Kritiker selbst ihre Texte für wenig einflussreich, ob und wie ein Til-Schweiger-Film in der taz besprochen werde, habe überhaupt keine Wirkung, so Nord. Nicht nur Schweiger, sondern auch Produzentin Stehr widersprachen. Stehr verwies auf den Film „Liebe“, der in allen Feuilletons groß und sehr positiv besprochen wurde und der, so Stehr, vor allem deswegen einen unerwartet erfolgreichen Kinostart hatte.

Die Stimmung in der Diskussionsrunde und auch im Publikum changierte manchmal ins Aggressive, worin sich auch eine große Verletzlichkeit zeigte: Filmemacher arbeiten Jahre an einem Projekt, stecken all ihr Herzblut und ihre Kraft hinein, und dann kommt ein Kritiker und zerpflückt das Werk in einem einzigen Text.

Vor allem die Kritiken, die „unter die Gürtellinie gehen“, wie Regisseur Rothemund mehrmals sagte, seien verletzend. Er erlebe so viel „Hohn, Spott und Häme“ von Seiten der Kritik. Auch seien Kritiken oft zu subjektiv und zu bewertend.

Gegen Ende brach es dann aus dem Kritiker Andreas Kilb heraus: „Ich möchte jetzt auch mal etwas fragen“, sagt er und spricht damit die Filmakademie an. „Ihr tut so, als wäre die Filmkritik das Problem. Aber glaubt ihr wirklich, dass bei euch alles gut ist? Findet ihr es wirklich gut, dass ein Film alle wichtigen Lolas bekommt, dass immer die selbe Art von Film gewinnt?“

So kamen der Offene Brief und die Vergabe der Lolas doch noch in die Diskussion, auch wenn die Teilnehmer schon etwas ermüdet schienen. Die Filmemacher auf dem Podium versicherten, dass in der Akademie intern ständig über die Vergabepraxis diskutiert werde. Cristina Nord kritisierte die Intransparenz solcher internen Diskussionen.

Es besteht also weiterhin Redebedarf.

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