Libanon in Angst: Ein Land in syrischer Geiselhaft

Nach dem Anschlag auf den libanesischen Geheimdienstchef stehen die Zeichen in Beirut auf Sturm. Die Angst vor einem Bürgerkrieg geht um.

Zu glauben, die Anschläge seien nur ein Racheakt, greift zu kurz. Bild: reuters

KAIRO taz | Es war eine Autobombe, deren politische Druckwelle den ganzen Libanon und dessen Nachbarn zum Beben bringt. Als am Freitag der Sprengstoff hochging und den libanesischen Geheimdienstchef Wissam al-Hassan in Stücke riss, war schnell klar, dass die Folgen dieses Anschlags das Potenzial haben, die ohnehin instabile Lage in der Region vollends außer Kontrolle geraten zu lassen.

Es wäre nicht das erste Mal, dass ein solches Attentat im Libanon unaufgeklärt bleibt. Aber hier steckt der Zündstoff nicht in den bisher unbekannten Fakten rund um den Anschlag, sondern in der Wahrnehmung. Es gibt kein Bekennerschreiben, es gibt noch keinerlei Beweise, wer dahintersteckt, doch bei der Motivsuche deuten viele Finger in Richtung des syrischen Regimes.

Der Geheimdienstchef al-Hassan, ein sunnitischer Muslim, hatte im Sommer eine Untersuchung geleitet, die zur Verhaftung des prosyrischen Informationsministers Michel Samaha geführt hatte, dem vorgeworfen wird, im Auftrag von Damaskus Sprengstoff in den Libanon geschmuggelt zu haben.

Eine Warnung

Der Anschlag könnte also eine Racheaktion sein, glauben viele. Aber das ist nur an der Oberfläche gekratzt. Möglich ist auch, dass das Attentat eine Botschaft beinhaltet, die da lautet: Das syrische Regime kann den Libanon jederzeit in Brand setzen, wenn es sich in die Ecke gedrängt fühlt. Eine Warnung also: Wenn das syrische Regime stürzt, dann stürzt der Libanon mit.

Das dritte Motiv für Syriens Staatschef Assad wäre ein taktischer Zug. Seit Monaten herrscht zwischen dem Regime und den Aufständischen in Syrien eine militärische Pattsituation. Assad könnte in einer Eskalation einen Ausweg sehen. Indem er im Libanon zündelt, gäbe er dem Syrienkonflikt mehr Dringlichkeit, diesen rasch und nicht ohne, sondern mit dem Regime zu lösen.

Für den Libanon selbst könnte das Ganze verheerende Folgen haben. Je blutiger der Konflikt im benachbarten Syrien wird, desto mehr hängt über dem Libanon das Damoklesschwert eines Bürgerkriegs. Denn die politischen und konfessionellen Konstellationen sind in beiden Ländern ähnlich.

Politisches Patt paralysiert Libanon

Das syrische Regime und das im Libanon gewählte Regierungsbündnis ziehen ebenso an einem Strang wie die syrischen Aufständischen und die libanesische Opposition. Seit Jahren ist der Libanon durch ein politisches Patt paralysiert.

Erschwert wird diese Lage durch regionale und internationale Sponsoren. Genießt das Regime in Damaskus und die Hisbollah im Libanon die Unterstützung des Iran, befinden sich die syrischen Aufständischen und die libanesische Opposition in der politischen Umlaufbahn Saudi-Arabiens und der USA. Dies verkompliziert den Konflikt, macht dessen Lösung aber gleichzeitig noch dringlicher.

Als einziges beruhigendes Gegengewicht gelten die Erinnerungen der Libanesen an den 15 Jahre andauernden Bürgerkrieg, der 1989 zu Ende ging. Eine Erfahrung, die viele Menschen – gleich welchen Glaubens – nicht wiederholen wollen – und die einzige Hoffnung, dass sich die Libanesen diesmal nicht in den Strudel der Gewalt hineinreißen lassen.

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