Verbraucherschutz fürs Smartphone: Die App wird's nicht richten

11 Millionen Tonnen Lebensmittel landen in Deutschland jährlich im Müll. Doch was sich Ministerin Aigner dagegen ausgedacht hat, wird das Problem nicht beheben.

„Zu gut für die Tonne“: Rezepte für gammelige Salatblätter und übrig gebliebene Tomaten Bild: dapd

BERLIN taz | Die Lösung wartet zwischen Brot, Butter und Birnen in Körben, ordentlich aufgestapelter Bio-Schlagsahne und Nachtisch auf einem weißen Teller, über dessen Rand schnell noch mal eine junge Frau in Schürze gewischt hat. Soll ja alles perfekt aussehen in dem Kochstudio, dessen Kulisse sich Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) ausgesucht hat. Dabei sind frische, perfekt aussehende Lebensmittel das Gegenteil dessen, um was es Aigner hier geht. Um Verschwendung. Von Lebensmitteln. Und darum, was man dagegen tun kann.

Das Thema hat in den Lehrplänen der Schulen keinen Platz, das Elternhaus versagt und die Politik scheut sich einzugreifen. Darum soll nun eine App helfen, ein Miniprogramm fürs Smartphone. Die sind beliebt bei Ministerien, es gibt bereits eine ganze Reihe: eine Baby-App vom Familienministerium, eine Kfz-Steuer-App vom Finanzministerium und eine Waldfibel-App vom Verbraucherschutzministerium. Nun also eine, bei der man sich zumindest Gedanken über den Namen gemacht hat: „Der kleine Lebensmittelretter“.

Die Funktionen, die Aigner zwischen Birnen und Nachtisch vorstellt, sind, nun ja, simpel: Rezepte, Infos zu Zutaten, Tipps zur Haltbarkeit. Die Ministerin muss sich das mit der Lebensmittelverschwendung ungefähr so vorstellen: Da steht abends die Familie vor dem Kühlschrank und überlegt: Wir haben noch angegammelte Möhren, abgelaufene Sahne und Reis von vorgestern – hätten wir doch nur jemanden, der uns sagt, was wir daraus kochen können! Oder ließen sich in eine Suchmaschine einfach die drei Zutaten eingeben und schon erhält man Rezepte im Dutzend – Moment, das geht? Und trotzdem werden tonnenweise Lebensmittel weggeworfen? Wie kann das sein?

Bloß keinem wehtun

Eine App ist bequem: ein bisschen Information für den Verbraucher, so, dass es niemandem wehtut. Nicht der Lebensmittelindustrie, die sich mal kritisch mit Sinn und Unsinn des Mindesthaltbarkeitsdatums auseinandersetzen müsste. Nicht den Großverbrauchern wie Hotels, die täglich Reste der Büfetts entsorgen. Nicht den Handelsketten, die von ihren Bäckern verlangen, dass auch bis kurz vor Ladenschluss die volle Auswahl des Brot- und Brötchensortiments vorhanden ist. Und nicht von den Verbrauchern selbst, die das eigentlich ganz gerne sehen.

Wenn es unbedingt eine App sein muss, hätte Aigner mal den ebenfalls anwesenden Koch Christian Rach, bekannt als Restauranttester, im Vertrauen nach den Hygienebedingungen in so manchen Lokalen fragen sollen. Da ließe sich mit einer App tatsächlich ein Problem lösen – wenn die Ergebnisse der letzten Kontrollen von den Behörden ins Netz gestellt und so aufs Handy kommen würden. Aber das wäre wohl schon wieder zu viel Information.

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