HIV-Zwangstests in Sachsen-Anhalt: „Völlig unnötige Stigmatisierung“

In Sachsen-Anhalt will die Landesregierung HIV-Zwangstests unter Umständen erlauben. Die Aidshilfe befürchtet Diskriminierung.

Freiwilliger oder erzwungener Bluttest? Bild: imago / blickwinkel

BERLIN taz | Pünktlich zum Welt-Aids-Tag am Samstag verschärft sich in Sachsen-Anhalt ein Streit zwischen der schwarz-roten Landesregierung und der Opposition wegen eines Gesetzentwurfs zur inneren Sicherheit. Danach sollen Zwangstests auf Hepatitis und HIV-Infektionen möglich sein, wenn sich Polizisten oder Rettungssanitäter bei Verdächtigen oder Unfallopfern verletzt haben und „bestimmte Umstände“ auf eine erhöhte Wahrscheinlichkeit hinweisen, dass diese mit HIV oder Hepatitis B oder C infiziert sein könnten.

Die rechtspolitische Sprecherin der Landtagsfraktion der Linken, Eva von Angern, erklärte, die Gesetzespassage könne zu einer Diskriminierung bestimmter Gruppen wie etwa Homosexueller oder Obdachloser führen, denen man im Zweifelsfall eine mögliche erhöhte Infektionsgefahr unterstelle. Mit diesem Gesetzentwurf bewirke Landesinnenminister Holger Stahlknecht (CDU) eine „völlig unnötige Stigmatisierung von Personengruppen“, protestierte auch die Aids-Hilfe Sachsen-Anhalt in einem offenen Brief.

Infektionsexperte Ulrich Marcus vom Robert-Koch-Institut in Berlin warnte in einer Stellungnahme, dass der Gesetzestext und dessen Begründung zu „weitgehend willkürlichen Auslegungen und Entscheidungen“ führen könne.

Wörtlich heißt es im neuen Paragraf 41 Absatz 6 im „Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt“: „Eine Person kann körperlich untersucht werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass von ihr eine Gefahr für Leib und Leben einer anderen Person ausgegangen ist, insbesondere weil es zu einer Übertragung besonders gefährlicher Krankheitserreger, insbesondere Hepatitis-B-Virus, Hepatitis-C-Virus oder Humanes Immundefizienzvirus (HIV) gekommen sein kann.“

Schwule, Junkies, Obdachlose

In der Begründung zu dieser Passage wird ausgeführt, dass die Voraussetzung für einen Zwangstest gegen den Willen der Testperson zum einen dann vorliege, wenn etwa ein Betroffener „mit der zu untersuchenden Person so in Kontakt gekommen ist, dass eine Ansteckung möglich ist“. Außerdem müsse eine „Wahrscheinlichkeit“ vorliegen, dass die zu testende Person infiziert sei. Davon könne ausgegangen werden, „wenn bestimmte Umstände“ eine Infektionswahrscheinlichkeit begründeten.

Marcus bemängelte, dass solche Anordnungen „primär Personen treffen werden, die auf Grund ihrer äußeren Erscheinung einer ’Risikogruppe‘ zugeordnet werden“ wie etwa „Drogen Konsumierende, Obdachlose, Menschen anderer Hautfarbe und Nationalität“.

Sachsen-Anhalts Landesinnenminister Stahlknecht verwandte sich gegen den Vorwurf der Diskriminierung. Ein Eingriff wie etwa ein Zwangstest stehe immer unter Richtervorbehalt, heißt es in einer Erklärung. Andere Bundesländer, darunter Hamburg und Baden-Württemberg hätten gleichlautende oder ähnliche Regelungen in ihren Gefahrenabwehrgesetzen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.