Halabscha und die „Händler des Todes“

Erste Berichte über die Belieferung irakischer Rüstungsanlagen hinderten deutsche Firmen Ende der Achtzigerjahre nicht am Geschäft

GENF taz ■ Erste Berichte über die „Händler des Todes“ aus Deutschland und ihre – ausnahmslos illegalen – Geschäfte mit Irak veröffentlichte die taz bereits im Jahre 1988, wenige Monate nach dem Giftgasmassaker irakischer Streitkräfte an den Kurden in Halabscha. Notgedrungen und entgegen guten journalistischen Berufsregeln gab es für diese ersten Veröffentlichungen damals nur eine Quelle: kurdische Oppositionelle im Exil.

Die von diesen Oppositionellen benannten deutschen Firmen, das Regime in Bagdad, das Bundesamt für Außenwirtschaft in Eschborn und das Bundeswirtschaftsministerium – sie alle reagierten auf die Anfragen der taz mit Schweigen, Dementis oder Klagedrohungen. Mit „Empörung“ reagierte damals auch der vom früheren US-Außenminister George Shultz geführte kalifornische Baukonzern Bechtel, als ihn die taz Anfang 1989 als wichtigsten Zulieferer für irakische Rüstungsanlagen identifizierte. In den Neunzigerjahren stellten sich dann die Veröffentlichungen sämtlich als richtig heraus. Doch bis zum Golfkrieg riefen sie auch in der deutschen Öffentlichkeit kaum Interesse hervor. Daher konnten die deutschen Unternehmen ihre Geschäfte auch nach Halabscha noch drei Jahre ungehindert weiterbetreiben.

Die Administration von George Bush beendete die Kooperation der USA mit dem Irak nach dem Massaker zwar – anders als bis heute in Washington behauptet wird – nicht vollständig. Doch sie fuhr zumindest die regierungsoffizielle Unterstützung für das irakische Rüstungsprogramm deutlich herunter. Dazu trugen auch erste Boykottforderungen bei, die nach dem Massaker von Halabscha im US-Kongress laut wurden.

In Deutschland und international machte das Thema „Aufrüstung des Irak“ erst Schlagzeilen, als die New York Times auf Basis gezielter Informationen der Bush-Administration Artikel über die Rolle deutscher Firmen bei der Giftgasproduktion Iraks und Libyens veröffentlichte, der beiden damals erklärtermaßen ärgsten Feinde Israels. Besonders ein Artikel unter der reißerischen Überschrift „Auschwitz im Wüstensand“ ließ damals in Bonn die Alarmglocken schrillen. Dieser Druck aus den USA trug dazu bei, dass die Regierung Kohl/Genscher den Golfkrieg von 1991 politisch und – mit 19 Milliarden Mark – finanziell massiv unterstützte.

Nach Ende des Golfkrieges verschwand das Thema schnell wieder in der Versenkung. Als die taz Anfang 1992 veröffentlichte, in wie starkem Maße die Firma H&H Metalform aus dem münsterländischen Wahlkreis des damaligen Bundeswirtschaftsministers Jürgen Möllemann zum irakischen Atomwaffenprogramm beigetragen hatte, konnte die Firma bei einem deutschen Gericht ohne größere Mühe eine mit einem Strafgeld von 500.000 Mark bewehrte Unterlassungsverfügung gegen die taz erwirken. Schon eine Woche später fand die Staatsanwaltschaft bei einer Durchsuchung der Geschäftsräume der H&H Metalform ausreichende Belege für die Beteiligung am irakischen Atomwaffenprogramm. Einige Manager der Firma wurden schließlich rechtskräftig zu Haftstrafen verurteilt – einer der ganz wenigen Fälle, in denen die illegale Rüstungskooperation mit Irak überhaupt strafrechtliche Folgen hatte.

Jürgen Möllemann geriet damals in Verdacht, die Irakgeschäfte der H&H Metalform bis August 1990 gefördert zu haben. Welche Rolle Möllemann tatsächlich gespielt hat, ist bis heute weder politisch noch strafrechtlich aufgeklärt. Das gilt auch für die drei anderen FDP-Bundeswirtschaftsminister, die während der Blütezeit der illegalen deutschen Rüstungskooperation mit Irak zwischen Ende der Siebzigerjahre und 1991 die oberste politische Verantwortung für die Legalität des deutschen Außenhandels trugen. ANDREAS ZUMACH