„Das sind Verbrecher-Organisationen“

Wehrmachtsdeserteur Ludwig Baumann spricht am Sonntag bei der Antifa-Kundgebung in Halbe. Ehrung von SS und Waffen-SS hält er in einem Rechtsstaat für untragbar und kündigt Widerstand an: „Das werden wir nicht hinnehmen“

taz: Herr Baumann, warum treten Sie am Sonntag in Halbe als Redner bei einer antifaschistischen Kundgebung auf?

Ludwig Baumann: Zum einen soll dort von Antifaschisten auch der in Halbe beerdigten und vermutlich dort auch hingerichteten Deserteure gedacht werden. Das ist mir ein besonderes Anliegen, da wir nach langem Kampf als Deserteure nun endlich im Mai 2002 vom Bundestag pauschal und gesetzlich rehabilitiert worden sind. Dann gibt es natürlich den aktuellen Bezug, nämlich dass die Neonazis die Opfer des Nationalsozialismus mit ihrem Aufmarsch und dem Motto „Ruhm und Ehre dem deutschen Frontsoldaten“ verhöhnen wollen. Schließlich sind auch deutsche Soldaten sinnlose Opfer dieses brutalen Vernichtungskriegs geworden. Und was ist daran heldenhaft, an einem Vernichtungskrieg teilzunehmen, wie ihn die Wehrmacht nun mal geführt hat?

Den Neonazis geht es mit ihrem Aufmarsch in Halbe um eine Glorifizierung der SS und der Waffen-SS. Per Internet werden Rechtsextremisten dazu aufgefordert, für jede Waffen-SS- und SS-Einheit, die an der Kesselschlacht von Halbe beteiligt war, Kränze mitzubringen.

Es ist ein Skandal, dass das Verwaltungsgericht die Ehrung der Waffen-SS und der SS zugelassen hat. Schließlich gelten beide seit den Nürnberger Tribunalen als verbrecherische Organisationen. Darüber hinaus sollte man wissen, dass der Bundestag in der Auseinandersetzung um die Rehabilitierung von Deserteuren am 15. Mai 1997 eindeutig festgestellt hat: „Der 2. Weltkrieg war ein Angriffs- und Vernichtungskrieg, ein vom nationalsozialistischen Deutschland verschuldetes Verbrechen.“

Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm hatte im Vorfeld ein Verbot des Aufmarsches gefordert mit der Begründung, bei Halbe handele es sich um einen Symbolort.

Ich bin eigentlich überhaupt kein Anhänger von Verboten. Aber dass in Halbe am Sonntag die SS und Waffen-SS öffentlich geehrt werden sollen, ist für einen Rechtsstaat ganz unmöglich. Wir werden das nicht hinnehmen.

Das Verwaltungsgericht hat auch das Verbot der antifaschistischen Kundgebung durch das Polizeipräsidium Frankfurt (Oder) aufgehoben. Das Polizeipräsidium hatte in seiner Verbotsbegründung gegen die Kundgebung, bei der Sie als Redner auftreten werden, behauptet, die Ehrung der Deserteure sei nur vorgeschoben.

Man muss sich einmal das Ausmaß der Verfolgung von Deserteuren veranschaulichen, um diese Unterstellung des Polizeipräsidiums einordnen zu können. Von den etwa 48.000 Todesurteilen der NS-Justiz sind rund 30.000 gegen Deserteure verhängt worden. 18.000 Deserteur-Urteile wurden vollstreckt, das heißt die Menschen wurden hingerichtet. Zu behaupten, dass unser Gedenken nur vorgeschoben sei, ist absurd und ein Schlag ins Gesicht der gerade einmal 200 Wehrmachtsdeserteure, die heute noch leben. INTERVIEW: HKL

Der 80-jährige Ludwig Baumann ist Vorsitzender der Bundesvereinigung der Opfer der NS-Militärjustiz und kämpfte jahrzehntelang für die Rehabilitierung der Wehrmachtsdeserteure.