Kampagne gegen rassistische Webseiten: Morddrohungen gegen Journalistin

Die schwedische Redakteurin Åsa Linderborg startete eine Aktion gegen rassistische Webseiten. Hass-Mails und Todesdrohungen waren die Antwort.

Die Redakteurin Åsa Linderborg wurde zur „Zielscheibe“ von Rechtsextremen Bild: screenshot aftonbladet.se

STOCKHOLM taz | „Hass bin ich mittlerweile gewöhnt“, sagt Åsa Linderborg: „Aber das hat eine ganz andere Qualität.“ Die Kulturchefin von Schwedens auflagenstärkster Tageszeitung Aftonbladet kann nicht mehr in ihrer Wohnung leben. Die Todesdrohungen gegen sie haben ein solches Maß angenommen, dass sie sich dort nicht mehr sicher fühlt. Der Grund: Sie hat rassistischen Webseiten den Kampf angesagt.

Ende November startete Linderborg in ihrer Zeitung die Aktion „Jetzt nehmen wir die Scheiße unter die Lupe“. Ein Jurist wurde angeheuert, der einen Monat lang alle Beiträge von Schwedens sieben populärsten rassistischen und neonazistischen Webseiten auf Verstöße gegen Straftatbestände – vor allem Volksverhetzung – untersuchen und auch Anzeige erstatten soll.

Es laufe dort eine fortdauernde Hetze gegen Juden, Muslime, Araber und Schwule, schrieb die Kulturchefin: „Ständig hört man: Eigentlich müsste das jemand anzeigen. Und immer soll ein anderer das tun.“ Deshalb wollte Aftonbladet testen, ob juristisches Vorgehen Erfolg haben könnte.

Linderborg, die sich selbst eine „Meinungsfreiheitsfundamentalistin“ nennt, erntete mit der Aktion nicht nur Beifall. Der konkurrierende Expressen warnte etwa vor „Inquistition“: Man solle den Kampf mit Argumenten führen und nicht mit der Justiz.

Stich ins Wespennest

Wie getroffen sich Betreiber und Nutzer der fraglichen Webseiten aber von der angedrohten „Lupe“ fühlten, zeigten deren Reaktionen. So kündigte Avpixlat, das schwedische PI, an, man werde nun alle „politisch korrekten“ Journalisten registrieren und überwachen.

Am Donnerstag gab Linderborg in einem Artikel einen Einblick, was ihr Vorstoß abgesehen von den „üblichen“ sexistischen Kommentaren und Beschimpfungen für sie persönlich für Konsequenzen hatte.

„In Russland gab es auch so eine Journalistin“, hieß es in einem Brief: „Sie hieß Politkowskaja. Nun ist sie tot. Patrioten haben das erledigt.“ Sie erhielt Mails und SMS, aus denen hervorgeht, dass man den Wohnort ihrer Mutter und den Alltag ihres Kindes kenne. Ein Foto ihres Sohns wurde ins Netz gestellt, Unbekannte sprachen ihn auf dem Schulweg an.

Alpträume in der Nacht

„Nachts träume ich, dass jemand meinem Sohn Körperteile abgeschnitten hat“, schreibt sie: „Ich versuche, sie zurückzulegen.“

Drohungen gegen Journalisten sind in Schweden wiederholt Taten gefolgt: 1999 wurde der Journalist Björn Söderberg von Neonazis ermordet. Es gab einen Bombenanschlag gegen das Auto eines Stockholmer Journalistenpaars, das in der Neonaziszene recherchierte und vor vier Jahren einen Brandbombenanschlag gegen einen anderen Journalisten.

Am Freitag solidarisierten sich verschiedene Journalisten mit Linderborg. Mehrere schilderten eigene Erfahrungen mit dem faschistischen Mob.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.