Stützen der künftigen Gesellschaft

Burschenschaften haben mehr Funktionsträger beeinflusst, als man gemeinhin glaubt. Der Asta gibt einen Reader zum Thema heraus und fordert: „Öfter nach dem Rechten schauen“

von HELENE BUBROWSKI

Die NDP nennt die Strategie „Kampf um die Köpfe“: Mit Aufmärschen, dumpfen Parolen und Anschlägen allein ist keine Mehrheit zu bekommen. Um Rechtsextremismus wieder hoffähig zu machen, muss rechtsextremes Gedankengut auch im intellektuellen Milleu verankert werden. Burschenschaften und rechte Verbindungen an Universitäten nehmen in diesem Konzept eine Schlüsselfunktion ein.

Auch wenn Korporationen stets als „Freundschaftsbünde“ verharmlost werden, bekennen sich darin angehende Akademiker, die künftigen Stützen der Gesellschaft also, zu „hierarchischen, antidemokratischen Strukturen, nationalistischem und rassistischem Gedankengut und einer biologistisch abgeleiteten elitären Grundposition“, schreiben Christian Schomann und Sebastian Leber in ihrem Reader „Öfter nach dem Rechten schauen“, den der Asta der Uni Hamburg kostenlos herausgibt.

Die Autoren erläutern zunächst die Geschichte der Männerbünde: Die „demokratischen und sozialen Elemente“ der Burschenschaften wichen ab Mitte des 19. Jahrhunderts zunehmend einer deutschtümelnden Weltanschauung. In den 30er Jahren fungierten Burschenschaftler als Begünstiger des faschistischen Regimes – nicht zuletzt durch ihr Überwechseln in den NSDStB, den nationalsozialistischen deutschen Studentenbund. Teil des Widerstands, wie oft behauptet, waren sie nicht.

Anschließend wird Aufschluss darüber gegeben, was sich hinter den Begriffen „Kneipe und Kommers“ verbirgt. Dabei handelt es sich nicht um ein gemütliches Zusammensitzen mit Freunden, sondern um „feste Rituale, bei denen Korpsgeist und hierarchisches Denken eingeübt werden“. Wer sich den Regeln nicht beugt, wird bestraft, beispielsweise mit dem „Bierverschiss“. Der Bestrafte sei dann nicht mehr „bierehrlich“ und muss abseits auf einem Stuhl, der auf einem Tisch steht, sitzen; ihm werden „Biergenuss und Bierfunktionen“ verweigert.

In einigen Verbindungen sei es beim Kommers bereits eine deutliche „Provokation“, wenn nicht alle Strophen der Nationalhymne mitgesungen werden.

Die Autoren zeigen Parallelen zwischen der rechtsextremen Szene, radikalen Parteien und studentischen Korporationen auf. Ein Mitglied der „Germania Hamburg“ kandidierte im September 2001 für die Partei von Ronald Schill. Auch Kontakte zur NPD, DVU und rechtsextremen Zeitungen sind inzwischen publik. In vielen Fällen ermittelt der Verfassungsschutz.

„Können ist gut, kennen ist besser“, sei das Motto eines Workshops gewesen, der Studenten helfen sollte, sich in die „Schaltstellen der Macht“ zu katapultieren. Obwohl der Gebrauch von Seilschaften bekannt ist, erregt die Auflistung der ehemaligen Burschenschaftler, die heute die wirtschaftlich und politische „Elite“ bilden, Erstaunen. Selbst ein grüner Politiker war dabei.

Sehr differenziert untersucht das folgende Kapitel die Dachverbände der Hamburger Verbindungen. Denn in ihrem Grad an Intoleranz, Fremdenfeindlichkeit und Nationalismus gibt es deutliche Unterschiede. Während „Ehre, Freiheit, Vaterland!“ der Wahlspruch von „Germania“ ist und auf ihrer Homepage „Heil“ die gängige Grußform, und die „Landsmannschaft Mecklenburgia Rostock“ fordert, das Gebiet der DDR als „Mitteldeutschland“ zu bezeichnen, gibt es auch Verbindungen mit etwas liberaleren Ansichten. So gründete sich etwa 1996 der Dachverband „Neue Deutsche Burschenschaft“, um sich von den rechtsextremen Tendenzen zu distanzieren. In einigen Vereinigungen herrscht kein Zwang zu „Mensur“ und „Farben tragen“; einige nehmen auch Zivildienstleistende und Ausländer mit deutschem Pass auf oder, ganz selten, sogar Frauen.

Nach einer Statistik, die den rapiden Zulauf zu Burschenschaften seit 1995 attestiert, formulieren die Autoren die Position des Asta. Sie fordern „Engagement“ statt „Gleichgültigkeit“, denn die bietet Rechten Freiraum für Parolen wie: „Wir sehen uns außer Stande, den 8. Mai als Tag der Befreiung zu begehen.“

Da verwundert es, dass Besucher der offiziellen Startseite der Uni im Internet durch drei Klicks auf die Seiten von „Germania Hamburg“ und „Landsmannschaft Mecklenburgia Rostock“ gelangen. Von diesen Seiten ist ein Zurück zur Uni-Homepage nicht möglich. Der Besucher muss die Startseite erneut aufrufen – oder bleibt eben hängen bei „Ehre, Freiheit, Vaterland!“