Berliner Möllemännchen

Zwei nationalliberale FDP-Abgeordnete fordern den Rücktritt von Guido Westerwelle und kritisieren das gescheiterte „Projekt 18“. Fraktionsvorsitzender Martin Lindner genervt: „Das ist alles Unsinn“

von ROBIN ALEXANDER

Es gibt Kompromisse, für die muss man lange bezahlen. Einen solchen schloss die Führung der Liberalen kurz vor der Abgeordnetenhauswahlen. Um Teile des in Berlin traditionsreichen Rechtsaußen-Flügels einzubinden, platzierte man einige „Nationalliberale“ auf der Landesliste. Die FDP zog mit 15 Abgeordneten in das Landesparlament ein, drei von ihnen gelten als Rechte. Seitdem nimmt der Ärger kein Ende.

Am Wochenende kam es zum jüngsten Eklat. Die Abgeordneten Axel Hahn und Holger Krestel forderten „namens der Gruppe der Nationalliberalen in der FDP“ in einem Fax die Ablösung des FDP-Bundesvorsitzenden. „Guido Westerwelle soll zurücktreten und Platz machen für seriöse liberale Politik“, heißt es. Weiter: „Die Aktion 18 war ein Ablenkungsmanöver, um inhaltliche Lücken zu verdecken. Die Bürger lassen sich nicht auf Dauer durch inszenierte Jugendlichkeit, Personenkult und flotte Sprüche beeindrucken.“

Der am Samstag verschickte Text nimmt Bezug auf den Sonderparteitag der NRW-FDP, der für Montag in Wesel geplant war. Dort sollte es zu einer Entscheidung zwischen Westerwelle und dem NRW-Chef Jürgen Möllemann kommen, der nach Meinung vieler die Partei mit Antisemitismus in Verbindung brachte. Nicht so bei Hahn und Krestel: „Möllemann ist nur ein bequemer Sündenbock.“ An dieser Aktion ist einiges dubios: So war das als „Pressemitteilung“ überschriebene Papier nur an eine einzige Tageszeitung adressiert. Die beiden Autoren, Hahn und Krestel, waren für Nachfragen weder über die FDP-Pressestelle noch privat erreichbar. Beide hatten auch ihre Funktelefone ausgeschaltet. Der Fraktionsvorsitzende der Liberalen, Martin Lindner, behauptet indes, ihm gegenüber hätte der Abgeordnete Holger Krestel bestritten, Mitverfasser zu sein. Hahn hingegen sprach gegenüber einer Zeitung von „70 bis 80 Unterstützern“ in der Berliner FDP.

Lindner gab sich empört: „Das ist alles Unsinn.“ Er fühlt sich düpiert, da er von der Aktion überrascht wurde. Bis gestern kannten die FDP-Abgeordneten das Papier ihrer Fraktionskollegen nicht im Wortlaut. Die Rücktrittsforderung will sich niemand zu Eigen machen. Selbst der den so genannten Nationalliberalen zugeordnete Wolfgang Mleczkowski distanzierte sich. „Damit habe ich nichts zu tun.“

Für den Fraktionsvorsitzenden Lindner werden seine renitenten Abgeordneten immer wieder zum Problem: Erst im Juni hatte der linksliberale Abgeordnete Wolfgang Jungnickel im Alleingang die Ablösung von Westerwelle gefordert und dies erst unter Lindners Druck widerrufen. Die Rechtsabweichler hingegen erhielten im Januar sogar die Mehrheit in der Fraktion für einen Antrag, ein Denkmal für den umstrittenen Politiker Gustav Noske zu errichten.

Lindners Problem: Er hat gegen die gewählten Abgeordneten keine Sanktionsmöglichkeiten. Auf der gestrigen Fraktionssitzung fehlte Krestel. Hahn tauchte erst drei Stunden nach Beginn auf, zeigte sich nach Angaben eines Teilnehmers uneinsichtig und erklärte trotzig: „Das wird so weiter gehen“.