Unerbittlich im Kampf für schwule Rechte

Hans-Georg Stümke, einer der wichtigsten Köpfe der bundesrepublikanischen Homobewegung, ist tot

Ein Darling konnte er niemals sein. Die Rolle eines Mannes, den man liebt, weil er allen gefällt und weil das, was er vorschlägt, auf einmütigen Beifall stößt, die lag ihm nicht. Also: Hans-Georg Stümke darf als Nervensäge beschrieben werden. Er forderte Einsatz und mehr, nämlich Konsequenz. Die Idee, ein homosexuelles Bürgerrechtszentrum in Hamburg zu etablieren, hatten vor ihm vielleicht schon andere. Er aber forderte nicht nur, dass es ein anderes Ambiente als ein „studentisches Matratzenlager“ haben müsse. Er forderte vor allem, dass es realisiert wurde. „Träumen kann jeder“, pflegte er zu sagen, „aber Ideen umzusetzen, das macht Arbeit.“

Dieser Arbeit hat er sich nicht verweigert. Im Gegenteil. Hans-Georg Stümke, der seine Kombattanten mit seinen Ansprüchen öfter als gelegentlich überforderte, war auf eine Art unerbittlich, die in der schwulen Welt, zumindest in deren politischem Teil, unbekannt war: Ihm ging es nicht um ästhetische, sondern um politische Raumgewinne. „Schwule und Lesben brauchen Bürgerrechte“, pflegte er zu sagen, „dafür müssen sie Bündnisse eingehen.“ Stümke ging, um ebendieses Ziel zu befördern, viele Bündnisse ein. Er engagierte sich im Kommunistischen Bund, später bei den Grünen, schließlich Ende der Achtziger bei der Ausdehnung des Schwulenverbandes Deutschlands von der DDR auf das Bundesgebiet.

Stümke – das war ein, wenn es das Wort gäbe, Schwulist: Die Parteifahne war ihm stets unwichtiger als der Kampf für homosexuelle Bürgerrechte: weil er sich keiner Partei- oder Gruppenraison unterordnen wollte, um ebenden Kampf Homosexueller um ihr öffentliches Coming-out nicht zu gefährden. Seine Verdienste sind für die Selbstwahrnehmung der Homobewegung entscheidend gewesen: Von einem New-York-Trip in Hamburg zurück, berichtete Stümke 1978 in der Homopresse von den Aufständen in der Kneipe „Stonewall“ in der Christopher Street. Damit war er der Erste, der dieses Erbe weitererzählte: „Deutsche Schwule sollen lernen, dass anderswo militant gekämpft wird – und dass Duckmäusertum nicht lohnt.“

Geboren in Königsberg am 16. September 1941, aufgewachsen in einer ostpreußischen Familie, zur Schule gegangen im niedersächsischen Celle, Ausbildung zum Wetterbeobachter als Zivilangestellter bei der Bundeswehr, absolvierte er den Zweiten Bildungsweg, um schließlich Historiker und Lehrer zu werden. Auf dem gymnasialen Kolleg von seinen Mitschülern gehänselt, so erzählte er gerne, bekam er einmal den Schutz von einem, der solchen Heteroterror unerträglich fand – und das schon in den 60er-Jahren. Der heutige Bundeskanzler Gerhard Schröder, mit Stümke in der gleichen Klasse, schützte ihn mit der Bemerkung, erstens seien solche Hänseleien sowieso doof, zweitens könne jeder privat machen, was er wolle.

Der Mann, der mit dem Buch „Rosa Winkel, Rosa Listen“ 1981 der deutschen Schwulenbewegung erstmals fundiert den Naziterror gegen Homosexuelle dokumentierte, der aber darüber hinaus als Alter Ego der Romanfigur „Elvira Klöppelschuh“ auf ihren Reisen nach Gran Canaria seine komischen Seiten pflegte, litt seit vielen Jahren an verschiedenen Krankheiten. Zuletzt wurde Krebs diagnostiziert. Am Montag wurde der 61-Jährige tot in seiner Berliner Wohnung aufgefunden. Ohne ihn wäre die deutsche Schwulenbewegung nie so erfolgreich gewesen.

JAN FEDDERSEN