Nachhaltig ohne Ende

Immer mehr Firmen schmücken sich mit dem Attribut „nachhaltig“. Die Kriterien aber sind mitunter sehr beliebig. Ein neues Buch beschreibt, wie sich die Unternehmensstrategien durchschauen lassen

Die Unterscheidung zwischen Unternehmen, die tatsächlich eine verantwortliche Politik verfolgen, und solchen, die dies nur mittels geschickter Selbstdarstellung vorspiegeln, wird schwieriger. Denn immer mehr Firmen sehen es als erstrebenswert an, als ein „nachhaltiges“ Unternehmen zu gelten.

Dabei kommt ihnen entgegen, dass der Begriff „Nachhaltigkeit“ heute fast beliebig ist und es ein schnell wachsendes Geschäftsfeld gibt, das davon lebt, die „Nachhaltigkeit“ von Unternehmen mehr oder weniger unabhängig und qualifiziert zu messen, zu bewerten und zu bestätigen. Als Resultat sind zum Beispiel im Dow Jones Sustainability Index führende Pestizidhersteller wie Dow Chemical vertreten und im Index FTSE4Good Ölgiganten wie BP und Shell, die bisher hinsichtlich ökologischer und sozialer Verantwortung eher negative Schlagzeilen gemacht haben.

Es ist hilfreich, die Techniken zu kennen, die Unternehmen nutzen, wenn sie sich ein verantwortliches Image aufbauen, wenn sie Kritiker ihrer Politik bekämpfen oder gar mundtot machen wollen. Einen aktuellen Überblick darüber liefert ein neu erschienener Band eines Autorenteams mit dem Titel „Battling Big Business“. Das Buch beschreibt, wie Großunternehmen zum Teil parallel zu ihrer öffentlich zur Schau gestellten Fassade von „Verantwortung“ Strategien und Techniken anwenden, die von der Manipulation bis zu Rechtsbrüchen reichen.

So beschloss zum Beispiel der Ölkonzern BP im Jahr 2000, sein Namenskürzel von „British Petrol“ zu „Beyond Petroleum“ umzudeuten, um sein Engagement für die Umwelt und alternative Technik wie Solarenergie zu betonen. Im Jahr 1997 hatte BP bereits öffentlichkeitswirksam die Global Climate Coalition verlassen, eine von der Industrie gebildete Interessengruppe, die die Klimakatastrophe als reines Hirngespinst darstellen sollte. Diese PR kam gerade recht, um den schweren Vorwürfen entgegenzuwirken, die gegen den Konzern wegen Menschenrechtsverletzungen erhoben wurden. In den kommenden Jahren wurde die Imagewandlung durch mehrere hohe Strafen von der amerikanischen Umweltbehörde EPA unterbrochen (1,7 Millionen Dollar im Jahr 1999 und 10 Millionen im Jahr 2000). Und 2001 wurden die schönen Reden von Unternehmensvertretern über „Verantwortung“ und „Nachhaltigkeit“ von intensiver Lobbytätigkeit für neue Erdölbohrungen in Naturschutzgebieten Alaskas begleitet. In einer Kalkulation wird am Beispiel BP vorgerechnet, dass hier mehr für die Imageänderung als für die Umwelt ausgegeben wird. Diese Ausgaben haben sich gelohnt, lädt BP doch heute gern Redner zu Kongressen ein, in denen über Unternehmensverantwortung diskutiert wird.

Neben den klassischen Imagetransfer-Strategien werden im Buch auch aktuelle Beispiele für weitere Techniken gegeben wie „Sponsoring“ oder gar „Astroturf“: Mit Hilfe gekaufter Agenturen wird dabei der Eindruck erweckt, es gebe eine Basisbewegung für Ziele, die man als Unternehmen selbst verfolgt.

In einigen beispielhaft genannten Fällen wurden bei der Auseinandersetzung mit Kritikern die Grenzen der Legalität deutlich überschritten. So zum Beispiel Mitte letzten Jahres, als sowohl BP als auch Shell einen Spitzel mit der Ausspähung ihrer Kritiker beauftragten, der für eine Londoner Agentur arbeitete, die aus ehemaligen Mitarbeitern des britischen Geheimdienstes MI6 besteht. Die Enttarnung des als kritischer Filmemacher auftretenden Spitzels ging damals durch die Schlagzeilen (die taz berichtete).

Die Herausgeberin des Sammelbandes distanziert sich vorbeugend von dem Verdacht, dass die Anwendung derartiger Techniken als Regelfall dargestellt werden soll. Vielmehr macht die Schilderung und Analyse der sehr unterschiedlichen PR-Strategien und „Counter-Strategies“ von Unternehmen gegen ihre Kritiker den Graubereich deutlich, in dem diese angesiedelt sind, und zeigt, wie schnell ökonomische Macht und ökonomisches Kalkül zu einem schleichenden Übergang von undemokratischer Intransparenz zu offensichtlichen Rechtsbrüchen führen können. Und außerdem liegt auch die Kenntnis der „noch legalen“ Manipulationstechniken im Interesse einer kritischen Öffentlichkeit, die ohne derartige aufklärerische Beiträge immer in Gefahr ist, das Opfer gut bezahlter „Spin Doctors“ zu werden. Dies gilt übrigens genauso für die Gilde der „Analysten“ des ethischen Investments, wenn sie ihre Erkenntnisse im Wesentlichen aus den Selbstdarstellungen der Unternehmen gewinnen. VOLKMAR LÜBKE

Eveline Lubbers (Hg.): „Battling Big Business. Countering Greenwash, Infiltration and other Forms of Corporate Bullying“. Foxhole 2002, 10,95 £ www.greenbooks.co.uk