Debatte US-Republikaner: Keine Rettung mit Ryan

Die Republikaner müssen sich entscheiden, wie sie auf den Wandel in den USA reagieren wollen: Mit radikaler Selbstisolation oder innerer Modernisierung.

Kann er den Republikanern mehr Latino-Wählerstimmen bringen? Marco Rubio, Senator von Florida. Bild: dpa

Als Barack Obama im Januar seinen Eid auf vier weitere Jahre als US-Präsident mit einer riesigen Party feierte, war Mitt Romney lang vergessen. Romney mit zerzaustem Haar in der Achterbahn oder mit entrücktem Blick an einer Provinztankstelle – das sind die Bilder, die man seit November von dem Mann, der seine Partei zurück ins Weiße Haus führen sollte, zu sehen bekommt. Privatbilder.

Die Republikaner haben sich ihres Spitzenkandidaten zügig entledigt. Geliebt war Romney nie; sein schneller Weg in die Bedeutungslosigkeit spiegelt noch einmal wider, wie sehr sich die Republikaner zu dieser Kandidatur durchringen mussten. Mitt Romney war ein wohlkalkulierter Kandidat. Doch das Kalkül ist nicht aufgegangen.

Womit die konservative Partei Amerikas nach zwei verlorenen Präsidentschaftswahlkämpfen vor der Frage steht, wie sie in einem sich gesellschaftlich rasant veränderten Land künftig Wahlen gewinnen kann. Gegen einen Amtsinhaber zu verlieren, der mit dem Gepäck einer schwachen Wirtschaft und hohen Arbeitslosenquoten ins Rennen ging, ist ein Armutszeugnis für eine Partei, die ganz auf die Wirtschaftskompetenz ihres Kandidaten gesetzt hat.

Frauen und Asiaten

In fünf der vergangenen sechs Präsidentschaftswahlen haben die Republikaner den „popular vote“, also die Mehrheit der tatsächlichen Wählerstimmen, gegen die Demokraten verloren. Hinzu kommt: Der demografische Wandel spricht gegen sie. Fast drei Viertel der Stimmen von Latinos und Asiaten gingen an Obama. 92 Prozent der Afroamerikaner und 55 Prozent der Frauen entschieden sich für ihn – und gegen die Republikaner. Und die Minderheiten werden innerhalb der nächsten Jahrzehnte die Mehrheit der Wählerschaft stellen.

Doch wo liegt die Zukunft für die „Grand Old Party“ (GOP)? In der Modernisierung und der alten Weisheit „elections are won in the middle“? Oder kehrt der Erfolg mit einer weiteren Radikalisierung und der Übergabe der Machtstrukturen an Vertreter der erzkonservativen Tea-Party-Bewegung zurück?

Die Puristen zeigen sich nach dem 2012-Debakel überzeugt, dass Romney zu moderat gewesen sei. Sie ziehen daraus den Schluss, 2016 jemand wie Romneys Vizepräsidentschaftskandidaten Paul Ryan oder Senator Marco Rubio (Florida) ins Rennen zu schicken. Einen, der die konservativsten Kräfte der Partei-Plattform bedient und dies mit einem entsprechenden Abstimmungsverhalten untermauert.

Die Realisten unter den Republikanern hingegen schauen nüchtern auf die Zahlen und drängen auf eine Modernisierung, um den Demokraten nicht kampflos die Stimmen der Latinos, Schwarzen und Frauen zu überlassen. New Jerseys Gouverneur Chris Christie gilt als Mann mit moderaten Haltungen, etwa bei Themen wie Klimawandel und homosexuellen Partnerschaften. Mit öffentlicher Kritik an der Waffenlobby NRA zog er kürzlich den Zorn der konservativen Basis auf sich. Die innerparteiliche Debatte ist längst nicht entschieden, wie auch der aktuelle Haushaltsstreit zeigt, in dem sich Republikaner bei der Abstimmung von jeglicher Parteidisziplin lossagten.

Reagan und Nixon

In ihrer langen Geschichte hat die GOP mehrere Phasen der ideologischen Debatte durchlaufen. Ronald Reagan rückte die Partei in den 1980er Jahren nach Jahren des Streits nach rechts, etwa durch sein Anti-Staats-Dogma. Dennoch war er flexibel: Reagan, der keine Steuern mochte, stimmte mehrfach Steuererhöhungen zu und führte die Vereinigten Staaten in das bis dato größte Haushaltsdefizit ihrer Geschichte.

Die Tea Party lehnt Steuererhöhungen kategorisch ab, ihnen wäre heute wohl auch Parteiheld Reagan zu moderat. Richard Nixon wiederum, der meist nur auf seinen dramatischen Fall und die Watergate-Affäre reduziert wird, setzte sich als Präsident für eine Gesundheitsreform ein, für bessere Sozialleistungen und gründete die Umweltschutzbehörde EPA.

Die Republikaner haben also die Fähigkeit zur Erneuerung und Anpassung. Wollen sie an alte Erfolge anknüpfen, muss sich die Partei den neuen gesellschaftlichen und demografischen Realitäten öffnen. Was nicht heißt, konservative Ideen aufzugeben. In diversen Umfragen ist die Zahl der Amerikaner, die sich als konservativ bezeichnet, beständig höher als die Zahl derer, die sich als liberal einstufen.

Für die GOP besteht die Kunst darin, konservative Ideen wie den so tief in der Gesellschaft verwurzelten Freiheitsbegriff, Fiskalkonservatismus oder die Überzeugung, dass weniger Staat mehr ist, in eine attraktive Rhetorik einzubetten, die auf die Forderung nach Mauern an der Grenze zu Mexiko ebenso verzichtet wie auf die Ideologie der Frau am Herd. Denn die Klientel, die sich davon noch ansprechen lässt – eine ältliche weiße Mittelschicht der ländlichen und suburbanen USA –, bildet nicht länger die dominante Wählerschicht. Das Amerika der 50er und 60er Jahre mag noch als TV-Serie funktionieren, die langsam verblassende Träume am Leben hält. Aber ein Blick nach vorn ist das nicht.

George W. und die Latinos

Auch unter Minderheiten existiert eine heterogene Wählerschicht, die konservativen Ideen gegenüber aufgeschlossen ist. Das zeigt die jüngere Parteigeschichte, in der es ein ansonsten nicht für seine modernen Ideen bekannter George W. Bush im Präsidentschaftswahlkampf 2004 schaffte, mit einer moderaten Einwanderungspolitik zahlreiche Stimmen unter den Latinos zu gewinnen.

Wenn konservative Ideen ohne rückwärtsgewandte Ressentiments vorgetragen werden, sind die Republikaner auch für Latinos und andere Minderheiten wählbar. Denn von einer liberalen Revolution sind die USA trotz einer zweiten Amtszeit des ersten schwarzen Präsidenten weit entfernt.

Und auch eine Spaltung der GOP ist aufgrund des politischen Systems mit seinem relativen Mehrheitsrecht keine Option. Verlieren die moderaten Republikaner die innerparteilichen Debatten der kommenden Monate, braucht es jedoch weder eine liberale Revolution noch eine innerparteiliche Spaltung, damit sich die Partei in Richtung Bedeutungslosigkeit bewegt.

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Jahrgang 1980, studierte Journalistik und Amerikanistik an der Universität Leipzig und der Ohio University. Seit 2010 bei der taz, zunächst Chefin vom Dienst, seit Juli 2014 Leiterin von taz.de. Schreibt schwerpunktmäßig Geschichten aus den USA.

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