Florian, der Geisterheiler

Nach den „Berliner Seiten“: Soll Florian Illies jetzt das Feuilleton der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ retten?

Im Mai kam die kurze Meldung: Florian Illies, der unlängst die Leitung der „Berliner Seiten“ der FAZ gegen den Posten eines Ressortleiters bei der neuen Sonntagsausgabe getauscht hatte, sollte wieder den Schreibtisch wechseln. Zum 15. Juni, hieß es, würde Illies im allgemeinen Feuilleton die Position „Ressortleiter Berlin“ besetzen. Als er damals nach einer Abwicklung der „Berliner Seiten“ gefragt wurde, klang er optimistisch: „Die ‚Berliner Seiten‘ “, erklärte er, „werden immer wichtiger.“ Jetzt gibt es sie gar nicht mehr: Zwei Tage nach dem angekündigten Personalwechsel nahm man nun Abschied von der Beilage.

Wer immer wichtiger wird, ist also erst einmal Florian Illies selbst. Denn wenn Frank Schirrmacher jetzt mitteilen lässt, dass der „Geist der ‚Berliner Seiten‘ im Feuilleton aufgehen wird“, denkt er dabei vor allem an den 31-jährigen Blattmacher und Bestsellerautor, der aus der Hauptstadt neuen spirit nach Frankfurt bringen soll.

1971 wird Illies in Oberhessen geboren und studiert nach einem Zeitungsvolontariat Kunstgeschichte und Geschichte. Seit 1991 arbeitet er für die FAZ und tritt 1997 in die Redaktion ein. 1999 übernimmt er die Leitung der neu gegründeten „Berliner Seiten“ und heimst jede Menge Lob ein für das „innovative Zeitungsprojekt“.

Florian Illies weist in Interviews gerne bescheiden darauf hin, dass die Beilage die Idee Frank Schirrmachers war. Er weiß, was er seinem Herausgeber schuldig ist: Illies ist das Ziehkind Schirrmachers, wurde schon als potenzieller Literaturchef des Blattes gehandelt und unterhält, wie seine Kollegen erzählen, eine Standleitung zum Herausgeber.

Zum Star wird Illies jedoch außerhalb der Redaktionsräume: Mit seinem Buch „Generation Golf“ macht er vor zwei Jahren die Achtzigerjahre zum Bestseller. Seitdem kennen ihn auch diejenigen, die in der FAZ nicht einmal den Sportteil anschauen würden. Illies erklärt seinen Lesern – den neuen dreißigjährigen Bildungsbürgern – ihre Biografie: Die Bruchstücke des traditionellen Bildungsbürgertums, mit denen die 68er und 78er noch sozialisiert worden waren, wurden laut Illies in den Achtzigern gegen ein hedonistisches Bildungsprogramm ausgetauscht. Man kennt sich aus bei Playmobil, „Wetten, dass …?“ und in der Shoppingmall.

Jetzt wartet die Branche nur darauf, dass Illies in Kürze einen hoch bezahlten Job als Blattmacher bei Max, Stern etc. übernehmen würde. Doch Illies hält der FAZ die Treue, sicherlich auch weil er sich in deren Meinungskorridor ganz wohl fühlt: Berlin und Brandenburg zu einem Bundesland namens „Preußen“ zu vereinen, ist eine der Positionen, für die er sich schon stark macht.

Mit dem Spagat zwischen einer immer warenförmigeren Kulturlandschaft und der Rückbesinnung auf den konservativen Wertekonsens hat Florian Illies keine Probleme. Das übrige FAZ-Feuilleton allerdings schon: Zwischen dem Versuch, mit Pop-Kritiken jugendlich zu wirken, den Gencode zu entschlüsseln und Skandale loszutreten, verschwinden die letzten Reste des alten Rezensionsfeuilletons.

Nicht unwahrscheinlich, dass Florian Illies eine Idee hat, wie man aus diesem Durcheinander wieder einen zusammenhängenden Kulturteil machen kann: Arbeitstitel „Frankfurter Seiten“. Mit Illies als gutem Geist – oder Herausgeber? KOLJA MENSING