Wettstreit: Wort gegen Wort

Ganz spontan eine Predigt über Nächstenliebe, Hass und Hoffnung – Der erste Neuköllner Predigt-Battle nutzt Pfarrerin Marita Lersner den Heimvorteil.

Brauchen wir heute noch Gott? Bild: dpa

Die Magdalenenkirche in Neukölln ist überraschend voll an diesem Sonntagabend, und das nicht nur wegen der anwesenden Presse. Mehrere Kamerateams und schreibende Journalisten drücken sich an den Seiten herum, während die zentralen Stuhlreihen gut besetzt sind. Über hundert Besucher haben den Weg in die Karl-Marx-Straße 201 gefunden, und die Altersstruktur entspricht dabei nicht dem gängigen Klischee der „altmodischen“ Kirche. Anscheinend hat man mit der Idee, in der Magdalenenkirche ein „Predigt-Battle“ zu veranstalten, zumindest Menschen angelockt, die zwar augenscheinlich nicht erstmalig in einer Kirche sind, aber eben auch nicht jeden Sonntag.

Für die erste Neuköllner Predigt-Battle hat sich die Jugendpfarrerin Marita Lersner den sichtlich nervösen Heidelberger Kollegen Florian Barth eingeladen, der aber auch gleich die Atmosphäre auflockert, als er den nie zu unterschätzenden Einleitungswitz auf seine eigenen Kosten macht: „Ich kann kein Hochdeutsch und habe gehört dass der süddeutsche Akzent in Berlin nicht besonders beliebt ist, möchte jedoch anmerken, dass ich Schrippen niemals Wecken nennen würde.“

Die Idee hinter dem Battle-Konzept kommt natürlich aus dem HipHop, auch wenn die Pfarrerin ihre eigene Inspiration aus Poetry Slams und einem sogenannten Piano-Battle gezogen hat, wie sie nach der Veranstaltung berichtet. Dass die Berliner Gemeindepfarrerin für den Wettstreit auf der Kanzel dabei einen Pfarrer aus Heidelberg und damit der Geburtswiege des deutschsprachigen HipHop eingeladen hat, ist wohl Zufall. Die Parallelen aber sind unverkennbar. Ähnlich wie im klassischen Rap-Battle gibt es beim Predigt-Battle Zeitbegrenzungen, es muss spontan auf bestimmte Themen eingegangen werden, durch einen Münzwurf wird entschieden, wer anzufangen hat, und auch beim Predigt-Battle kann der Heimvorteil durchaus ausschlaggebend sein – schließlich wird nach jeder Predigt durch Applaus gemessen, welcher der beiden die Runde für sich entscheiden konnte.

Natürlich kann eine solche Auseinandersetzung nicht wie im Rap geführt werden, immerhin geht es dort um die Bloßstellung des Gegners. Das wäre dann vielleicht doch zu viel des Guten in der Kirche gewesen.

In der ersten Disziplin beziehen sich beide auf die Jahreslosung. Erwartungsgemäß verbinden sie die biblischen Metaphern mit Geschichten aus dem realen Leben. Marita Lersner predigt über die allgemeine Sehnsucht von Flüchtlingen und über die Flüchtlinge vom Oranienplatz im Speziellen. Florian Barth wagt sich an das Thema Sterbehilfe heran, er berichtet von einer todgeweihten Holländerin in einem Hospiz und behandelt die Frage, inwieweit man Hoffnung beeinflussen oder erzwingen kann. Kann man natürlich nicht oder nur sehr bedingt, und das sagt er auch.

In der zweiten Runde müssen beide spontan auf ein vom Moderator vorgegebenes Thema eingehen. Es handelt sich um die wenig originelle Frage „Brauchen wir heute noch Gott?“ Danach folgen Spontanpredigten auf Zurufe aus dem Publikum. Auch hier wird leider die Chance vertan, den typisch christlichen Themenkreis etwas aufzubrechen. Mit „Nächstenliebe“, „Hass“, „Hoffnung“, „Dreifaltigkeit“ oder „Sünde“ werden die üblichen Schlagwörter in den Saal gerufen, aber vielleicht sollte man nicht zu viel auf einmal erwarten. Einzig der Vorschlag „Der Papst“ sorgt in der evangelischen Gemeinde für einige Schmunzler.

Am Ende siegt selbstverständlich die Berlinerin. Alles andere wäre auch ein Affront, in der Kirche wie in den Rap-Battles in den Berliner Clubs. Der Sieg hat jedoch nicht nur mit dem Heimvorteil zu tun, denn immerhin hat Marita Lersner die einzige sogenannte Punchline – eine im Battle-Rap dringend notwendige Pointe oder Spitzfindigkeit, die alle Anwesenden vom eigenen Talent überzeugen soll und den Gegner quasi „enthauptet“ – des Abends auf Lager: „Mit dem Reich Gottes verhält es sich wie mit dem Berliner Großflughafen: ist irgendwie schon da, funktioniert aber noch nicht überall und in jeder Hinsicht.“

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