Kommentar Armenien: Mit Sicherheit der falsche Mann

Systematische Wahlfälschungen gab es auch diesmal bei der Präsidentenwahl in Armenien. Der neue Präsident ist für die aktuellen Probleme der falsche Mann.

Immerhin: Tote infolge von gewaltsamen Protesten gegen das Wahlergebnis wie 2008 hat es nach dem Urnengang am Montag in der Kaukasusrepublik Armenien – bis jetzt – glücklicherweise noch nicht gegeben.

Doch damit erschöpfen sich die positiven Nachrichten. Wie bei allen anderen Abstimmungen seit der Unabhängigkeit des Landes 1991 kam auch bei diesen Präsidentenwahlen, aus denen Amtsinhaber Sersch Sargsjan erwartungsgemäß als Sieger hervorgegangen ist, wieder das gesamte Repertoire der Machthaber zum Einsatz: Wähler wurden systematisch unter Druck gesetzt, um an der gewünschten Stelle ihr Kreuz zu machen, und Stimmen im großen Stil gekauft.

Ganze Gruppen von Wählern wurden von Wahllokal zu Wahllokal gekarrt, um so mehrfach ihre Stimme abzugeben.

Doch solcherlei dreiste Fälschungen sind nicht der einzige Grund für Sargsjans Wiederwahl. Die wurde nicht zuletzt auch durch den Umstand befördert, dass nach dem Rückzug von zwei politischen Schwergewichten der Opposition kein ernst zu nehmender Rivale mehr im Rennen war.

Die zweite Amtszeit dürfte für den neuen alten Präsidenten alles andere als leicht werden. Etwa ein Drittel der Armenier lebt unter der Armutsgrenze. Vor allem junge, gut ausgebildete Menschen suchen das Weite.

Die Aussöhnung mit der Türkei kommt nicht voran, da sich Ankara immer noch weigert, die Schuld am Genozid von 1915 anzuerkennen. Dabei wäre eine Entspannung dieses Verhältnisses für Armenien auch wirtschaftlich von immenser Bedeutung.

#Und der schwelende Konflikt mit dem Nachbarn Aserbaidschan über die Enklave Berg-Karabach kann sich jederzeit wieder gewaltsam entladen.

Angesichts dieser drückenden Probleme müssen jetzt die Weichen schnell gestellt werden. Doch dafür ist Sargsjan mit Sicherheit der falsche Mann.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

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