Was ist denn schon dabei

■ Konzertfilm, der keiner sein will: Dackelblut – Der Taucher mit dem Anorak

Musik und Filme aus dem Dunstkreis von Da-ckelblut machen ihre eigene Realität. Nicht weil irgendjemand dort glauben würde, man könne der schlechten echten entkommen. Sondern weil alle wissen, dass man ihr nur ins Gesicht sehen kann, wenn man zu mehreren ist und auch noch eine eigene hat. Punk ist tot, denn alle haben plötzlich seine Sprache verstanden. Punk lebt, wo er es geschafft hat, ein eigenes Zeichen- und Verweissystem zu erhalten und nur da zu erneuern, wo es nicht die Grundhaltung betrifft: so nicht leben zu wollen, wie es einem hier und jetzt angeboten wird. Ein paar mehr Akkorde, als der Musikrichtung gemeinhin zugerechnet werden, können, müssen aber nicht sein.

Die Band Dackelblut war einmal, Jens Rachut singt seit einer Weile für Oma Hans, Ende April ist die neue Formation in der Tanzhalle auf der Bühne. Weil sich aber ein paar Leute an Dackelblut erinnern wollen wie an Angeschissen, Das Moor und Blumen am Arsch der Hölle, gibt es jetzt den Film Der Taucher mit dem Anorak von Peter Stein. Das Lichtmeß zeigt ihn zusammen mit Robert Kruse, einem Kurzen, in dem Jens Rachut die Hauptrolle spielt, realisiert durch Karsten Knoop und Dorit Kiesewetter.

Aber RegisseurInnen spielen in beiden Filmen keine Rolle, denn schließlich entsteht alles aus dem Freundeskreis. Und das mit dem gemeinsamen Zeichen- und Verweissystem lässt sich dort sehr schön sehen. Wenn Jens Rachut mit einer Rettungsweste der Estonia aus dem Wasser steigt, dann ist es lustiger, man kennt den Dackelblut-Song „Der Koch der Estonia“. Muss aber nicht. Denn das ja ist das Gute: Die tragische Komik von Leuten, die immer wieder aufstehen, verstehen auch die FreundInnen vom Freundeskreis und die Bekannten von den FreundInnen.

Der Taucher mit dem Anorak ist ein Konzertfilm. Das Spiel und seine Regeln werden beachtet, wo es um Aufnahmen von Konzerten geht, allen voran das letzte der letzten von Dackelblut: Originalcore in Originalbesetzung. Da suhlen sich welche im Schlamm bei einem Open Air, ach, wie idyllisch ist das Punkerleben. Doch alles, was Konzertfilme blöd macht, hat dieser nicht: keine Talking Heads, die was erklären und dem rebellischen Ges-tus einen Platz im Wachsfigurenkabinett zudenken, keine Titel zu Orten und Daten der Konzerte.

Und gar nicht kommt diese übliche Erzählweise der Biographien von Bandmitgliedern vor, in der am Ende alle Leben von allen Musikern immer gleich aussehen und die Moral von der Geschichte ist, mit dem Bundeskanzler auf Tour zu gehen. Davon ist nur übrig, dass es am Schluss auf die Schippe genommen wird in einem „Was aus ihnen geworden ist“.

Dafür gibt es jede Menge Nebel und Albernes aus dem skandinavischen Feriendomizil, Interessantes zum Räuchern von Fischen, der Sucht von Hunden und Menschen nach Alphawölfen, Theater unter freiem Himmel und auch mal einen Songtext im Bild zum Mitdenken: „Alle Teller singen jetzt im Chor, bleib bei uns und bleib am Leben.“

Und weil beide Filme zusammengenommen nicht länger als eine Stunde dauern, bleibt genug Zeit für freundeskreisige Liveperformances im Programm. Wer einen Original-Heiermann mit sich führt, kommt bevorzugt rein. Denn der Trommler Heiner Ebber hat ein Problem mit der Umstellung von D-Mark auf Euro. Komisch, wo doch so viele Leute froh sind, dass sie endlich kein deutsches Geld mehr annehmen müssen.

Christiane Müller-Lobeck

Donnerstag, 19 + 21 Uhr, Lichtmeß