Streit um die Autohändler-Bronx

■ In Woltmershausen streiten Anwohner und Polizei über Autohändler / Jetzt soll es Gespräche mit der Bahn geben, die den Händlern den Vertrag kündigen soll

Der groß angekündigte Startschuss für die Stadtteil-Initiative in Woltmershausen fand Montagabend wenig Echo. Zwar war Bausenatorin Tine Wischer (SPD) eigens zur Beiratssitzung angereist. Aber Beirat und Anwohner hatten drängendere Problem als den Strukturwandel im Quartier hinzukriegen: Die Sache mit den Autohändlern in der „Bremer Bronx“ rund um den Neustädter Güterbahnhof und die Senator-Apelt-Straße.

Der Bereit spricht von einem Slum – und das „gerade mal drei Kilometer Luftlinie vom Bremer Dom entfernt“. Müll, Ratten und vor allem Kriminalität – das ist in etwa die Kurzformel für die Probleme, mit denen sich Beirat und Anwohner bereits seit drei Jahren herum plagen. Und weil seither nie etwas passiert ist, ist dem „Förderkreis des Wohnviertels Warturmer Platz“ jetzt der Kragen geplatzt: Ein Protestbrief ging an Bürgermeister und Innensentor mit der dringenden Bitte: „Den Autohandel zu entfernen.“

„Der Autohandel“ das sind rund 100 Libanesen, die ihre Gebraucht- und Unfallkarren in den Osten verticken. Und deren Kunden aus Russland, Polen oder dem Baltikum ihren Müll in Woltmershausen zurücklassen. Von einer „ganz eigene, abgeschirmten Welt“, spricht Ortsamtsleiter Klaus-Peter Fischer, der inzwischen nur noch mit Polizeischutz an der Senator-Apelt-Straße auftaucht. Drei Morde sind in den letzten zwei Jahren hier passiert. „Schwere Körperverletzung kommt mindestens einmal im Monat vor“, schreibt Arnold Ralle vom Polizeirevier Woltmershausen in einem sechsseitigen Lagebericht. Zwar habe man keine „konkrete Anhaltspunkte für Waffen- und Drogenhandel, aber auf den Plätzen spielt sich mehr ab als, als offiziel bekannt ist.“

Die Anwohner vom Warturmer Platz direkt neben dem Händlergrundstücken jedenfalls haben Angst. Angst um ihre Kinder, die am Zaun vorbei müssen, um zur Grundschule in die Neustadt zu kommen. „Die fangen an dem Grundstück immer an zu rennen“, hat ein Lehrer, Fred Bohrmann beobachtet. Inzwischen wurden Fahrgemeinschaften gegründet, um die Kinder sicher zur Schule und wieder zurück zu bringen. Frauen würden abends nicht mehr allein aus dem Haus gehen. „Da passiert doch Mord und Totschlag“, sagt Erika Namislo, die von ihrem Balkon aus direkt runter auf das Meer von Gebrauchtwagen blickt. Ein Kardinalsfehler, heißt es, sei die Zulassung der Händler in dieser Nähe zum Wohngebiet.

Ganz so schlimm, wiegelt Polizist Ralle ab, sei das dann aber doch nicht in Woltmershausen. „Das ist keine gesetzlose Welt.“ Zwar trägt auch er Schutzwesten, wenn er zu den Autohändlern fährt. „Aber da wird keiner von den Anwohner belästigt.“ Jedenfalls nicht, wenn man die Händler nicht selbst angreife. Laut Polizeistatistik passieren die Übergriffe bislang immer nur im Milieu, also unter Händlern und Kunden – aber nicht bei den Nachbarn. „Man muss aufpassen, dass das hier nicht pauschal gegen Ausländer geht“, warnt Ralle.

Auch die Autohändler sorgen sich. Ihnen geht es um die Existenz. „Wenn wir hier wegmüssen, was sollen wir dann machen? Sozialhilfe?“, fragt Saadeddin Al Zain. Die Morde, sagen sie, hätten doch auch genausogut woanders passieren können. Und bislang hätte die Stadt doch gut an ihnen verdient mit Steuern, Gebühren für Zoll- und Autokennzeichen.

Geht es nach dem Beirat sollen die 40 Händler spätestens bis zum Sommer den Güterbahnhofsbereich räumen. Einstimmig haben die Stadtteilpolitiker beschlossen, den Grundstückseigentümer – die Deutschen Bahn AG – zu drängen, den Mietvertrag für die Fläche zu kündigen. Gestern gingen die ersten Stellungnahmen raus. „Unser Ziel ist eine höherwertige Nutzung der Flächen“, will der Beirat. Und das heißt: Eigentlich alles – außer Autohändlern.

Dorothee Krumpipe