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taz-Serie „Die Profiteure“ (Teil 3): Mit den Exklusivfonds richtete sich die Bankgesellschaft an auserwählte Anleger. Beim Gehag-Fonds wurden öffentliche Gelder gleich dreifach vernichtet

von UWE RADA

Die Aubis-Manager Klaus Wienhold und Christian Neuling sind in Haft. Doch die als Krise der Bankgesellschaft Berlin genannte Vernichtung öffentlicher Gelder begann nicht erst mit der 40.000-Mark-Spende der beiden Ex-CDU-Funktionäre und des 600-Millionen-Kredits der Bankgesellschaftstochter BerlinHyp. Sie begann vor fast zehn Jahren, als es die Bankgesellschaft Berlin als Holding noch gar nicht gab.

Im Dezember 1993, Berlin hatte gerade die Olympiabewerbung in Monte Carlo in den Sand gesetzt, ging in den Vorstandsetagen der deutschen Banken ein Fax ein. Darin warb die damals noch zu 100 Prozent dem Land Berlin gehörende Wohnungsbaugesellschaft Gehag und die ebenfalls landeseigene Landesbank Berlin für einen Immobilienfonds, der die Banker aufhorchen ließ. Um den Bau von 121 Wohnungen im ersten und zweiten Förderweg in Buckow zu finanzieren, suchte die Gehag in ihrem Fonds Nummer 12 nach privaten Anlegern. Angesprochen wurden aber nicht etwa Otto Normalverbraucher, sondern Spitzenverdiener mit dem Höchststeuersatz von über 50 Prozent. Die Offerte: Wer 100.000 Mark in die „Grundstücksgesellschaft Straße 619/620 GbR“ investiere, werde durch garantierte steuerliche Verlustzuweisungen bereits in zwei Jahren das anderthalbfache der Investition wieder eingespielt haben. Hinzu kam die jährliche Ausschüttung. Macht summa summarum 150.000 Mark Steuerersparnis durch den Fiskus sowie jährlich 1.400 Mark Dividende.

Solchen Gewinnaussichten konnte der exklusive Kreis der Angesprochenen natürlich nicht widerstehen. Zu den Zeichnern des Gehag-Fonds gehörten der NordLB-Chef Manfred Bodin, der spätere Volksbank-Chef Karl Kauermann sowie diverse Manager der späteren Bankgesellschaft, wie etwa Hans Leukers oder Ulf Decken. Aber auch die Berliner Politiker ließen sich nicht lumpen. Mit dabei waren auch der inzwischen geschasste CDU-Schatzmeister und Bundestagsabgeordnete Dankwart Buwitt sowie Klaus Landowsky.

Mit dem Gehag-Fonds betraten die Fondsaufleger gleich in doppeltem Sinne Neuland. Zum einen, weil den Gewinnerwartungen der Profiteure gleich in dreifacher Weise der Verlust öffentlicher Steuergelder gegenüberstand – und zwar durch die Wohnungsbaufördermittel in Höhe von 17 Millionen Euro. Dies bestätigte Bausenator Peter Strieder (SPD) in einer Antwort im Bauausschuss. In Form von Steuerausfällen durch die Sonderabschreibemöglichkeiten, die es damals noch gab, um die Bauwirtschaft anzukurbeln. Und schließlich in Form bevorzugter Garantieübernahmen. Als die versprochenen Ausschüttungen nicht in voller Höhe gezahlt werden konnten, beschloss die Bank, die Fonds der Anleger für 75 Prozent zurückzukaufen. Gelder, für die das Land Berlin als Eigentümer der Gehag und der LBB hafteten. Nur die Bankvorstände blieben nach einer Intervention des Aufsichtsrats von dieser Vorzugsbehandlung ausgenommen.

Neuland betraten die Initiatoren der Fonds aber auch durch die Auswahl der Fondsanleger. Anders als bei den 70.000 Anlegern (unter ihnen Bausenator Peter Strieder), die bis heute einen der insgesamt 49 Publikumsfonds der Bankgesellschaft gezeichnet haben, wurde die Gehag-Offerte nicht öffentlich angeboten, sondern nur einem erlauchten Kreis guter Kunden und Bekannten. Das war die Geburtsstunde der Exklusivfonds, von denen inzwischen drei bekannt geworden sind. Wahrscheinlich sind es aber weitaus mehr.

Das Beispiel des Exklusivfonds machte schon zwei Jahre später Schule. 1995/96 legte die Bankgesellschaft den Fond „Grundstücksgesellschaft Bad Freienwalde/Gardelegen“ auf. Um den Bau eines Einkaufszentrums mit Baumarkt und Gartenzentrum im nördlich von Magdeburg gelegenen Gardelegen zu finanzieren, suchte die Bankgesellschaft nach einem exklusiven Anlegerkreis. Die Offerte war dabei sogar noch lukrativer als beim Gehag-Fonds. Zusätzlich zu den 208 Prozent Verlustzuweisungen, bei denen die Anleger über das Doppelte der Anlage von der Steuer absetzen konnten, lockten 3 Prozent Gewinnausschüttung. Beim Gehag-Fonds waren es nur 1,4 Prozent.

Der erlauchte Anlegerkreis ließ nicht lange auf sich warten. Etwa 150 Personen aus Politik und Wirtschaft zeichneten 20,5 Millionen Mark. Den Rest für das 82 Millionen Mark teure Projekt brachte die LBB auf. Unter den Anlegern waren wiederum CDU-Politiker wie Dankwart Buwitt, aber auch Sozialdemokraten wie die heutige Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul. Zu den Zeichnern gehörten aber auch Bankgesellschaftsmanager selbst wie der damalige Vorstandsvorsitzende Wolfgang Steinriede und der ehemalige Landesbankchef Ulf Decken, der auch schon den Gehag-Fonds gezeichnet hatte. Ebenfalls mit von der Partie: der damalige IHK-Chef Horst Kramp und der Berliner Bankvorstand Christoph von Hammerstein.

Auch diese Anlieger profitierten wieder von den Garantieabgaben der Fondsinitiatoren. Als die Kathreiner AG als Hauptmieter des Einkaufszentrums in Gardelegen 1997 in Konkurs ging, suchten die Immobilienexperten der Bankgesellschaft vergeblich nach neuen Mietern. Um den Anlegern das sonst übliche Nachschießen von Kapital zu ersparen, sprang die Bankgesellschaftstochter IBG schließlich selbst als Mieter ein. Das nennt man dann wohl Kundenpflege der besonderen Art.

Exklusiv waren der Gehag-Fonds und der Gardelegen-Fonds aber nicht nur in Bezug auf die Auswahl der Anleger, sondern auch hinsichtlich der Fonds-Konstruktion. Die unübliche Wahl der Rechtsform einer privaten GbR hat nach Ansicht des Bilanzexperten Karlheinz Küting von der Uni Saarbrücken folgenden Hintergrund: „Es ist für mich eine Verschleierungstaktik, die ganz offensichtlich dazu dienen soll, den Filz nicht nach oben kommen zu lassen.“

Das sieht mittlerweile auch die Berliner Staatsanwaltschaft so. Doch trotz intensiver Recherchen der Sonderermittlungsgruppe Bankgesellschaft sind bislang nur wenige Köpfe gerollt wie die beiden Exmanager der Bankgesellschaft und Zeichner des Gardelegen-Fonds Thomas Kurze und Lothar Wackerbeck. Gleiches gilt für Ulf Decken, Wolfgang Steinriede und Wolfgang Rupf.

Von juristischen Konsequenzen allerdings kann wohl erst dann gesprochen werden, wenn auch die Initiatoren der Fonds belangt werden, meint die grüne Baupolitikerin Barbara Oesterheld. Mit anderen Worten: Neben den inhaftierten Aubis-Managern Klaus Wienhold und Christian Neuling sollte noch das ein oder andere Plätzchen im Kittchen freigehalten werden.