„Nicht einmal Kampfhund abgenommen“

Ausländerbeauftragter fordert Konsequenzen aus Attacke auf Äthiopier. BGS verteidigt Beamte. Generalbundesanwalt für den Fall nicht zuständig, weil es keine Toten gegeben habe. Verein „Brothers Keepers“ bietet Opfer Hilfe an

BERLIN taz ■ Nach dem brutalen Überfall auf einen Äthiopier in Halle fordert der Ausländerbeauftragte in Sachsen-Anhalt, Günter Piening, Konsequenzen für den Bundesgrenzschutz (BGS). Währenddessen verteidigte der BGS Halle seine Beamten.

Piening zeigte sich gestern empört über die Vorgehensweise der BGS-Beamten. Diese hatten Ende Januar zwei betrunkene Nazis freigelassen, obwohl sie kurz zuvor in einem Zug bei Halle einen Kampfhund auf einen Äthiopier gehetzt und ihn verprügelt hatten. Erst zwei Wochen später kamen sie auf Initiative der Staatsanwaltschaft Halle in Untersuchungshaft.

Die Staatsanwaltschaft kritisierte, die Beamten des BGS hätten die „Tragweite des Sachverhalts nicht richtig eingeschätzt und unsensibel gehandelt“.

Ausländerbeauftragter Piener findet deutlichere Worte: „Nicht nur, dass sie die Nazis haben laufen lassen, sie haben ihnen nicht einmal den Kampfhund abgenommen“, sagte er zur taz. Das sei der schlimmste derartige Überfall in Sachsen-Anhalt in den vergangenen zwölf Monaten gewesen. Das Innenministerium müsse nun prüfen, ob BGS-Beamte auf solche Übergriffe ausreichend vorbereitet seien.

Der Bundesgrenzschutz Halle nahm gestern seine Beamten in Schutz. „Die internen Untersuchungen laufen noch, aber man kann den Beamten nicht einfach den schwarzen Peter zuschieben“, sagte Sprecher Gero Gerewitz zur taz. Die Beamten hätten den Fall versehentlich als Schlägerei gesehen. Außerdem seien sie schnell am Einsatzort gewesen und hätten das Opfer ins Krankenhaus bringen lassen. Gerewitz räumt ein, man werde den Fall natürlich in die bereits bestehenden Schulungen mit einbringen und versuchen, die Beamten in Zukunft mehr zu sensibilisieren.

Die Oberbürgermeisterin von Halle, Ingrid Häußler (SPD), äußerte sich bestürzt darüber, dass der Name ihrer Stadt wieder mit Rechtsextremismus in Verbindung gebracht worden sei. Dem Äthiopier gelte ihr „tiefes Mitgefühl“, sagte Häußler.

Der Verein Brothers Keepers e. V., bekannt durch die gleichnahmige Musikgruppe, bietet dem Opfer Hilfe an. „Wir haben aus der Presse von dem ungeheuerlichen Überfall erfahren und wollen helfen, wo wir können“, so Projektleiter Dirk Seifert zur taz. Er könne sich vorstellen, den Mann finanziell durch einen Anwalt zu unterstützen oder ihm psychologische Hilfe zu ermöglichen. Der Erlös vom Verkauf der CDs der Gruppe fließt in den Verein und kommt Opfern rechter Gewalt zu Gute.

Auch der Generalbundesanwalt Kay Nehm interessierte sich für den Vorfall. Er hatte gestern kurzzeitig erwogen, den Fall zu übernehmen. Es habe sich aber herausgestellt, dass er nicht für die Verfolgung des Falls zuständig sei, sagte seine Sprecherin Frauke-Katrin Scheuten der taz. Der Grund: Es habe keinen Toten bei dem Überfall gegeben.

Der überfallene Mann war im Zug nach Eisenach gerade auf dem Weg zur Toilette gewesen, als ihn die Skinheads aufhielten, mit einem Messer bedrohten und ihren 20 Kilo schweren Kampfhund auf ihn hetzten. Während sich das Tier in dessen Unterschenkel verbiss, traten die Rechtsextremen auf das Opfer ein und schlugen es. Vier Passagiere saßen auch im Waggon, versuchten dem Äthiopier zu helfen und riefen den Polizeinotruf an. Am nächsten Bahnhof holten BGS-Beamte die Täter aus dem Zug, das Opfer musste wegen schwerer Bissverletzungen und Prellungen ins Krankenhaus gebracht werden. Der Skandal: Die Täter durften nach einem Alkoholtest und der Feststellung ihrer Personalien wieder nach Hause fahren. NICOLE JANZ