Der Große Signifikant wankt

Penisneid? Von wegen! Jetzt hungern die Männer nach den Differenzierungen des Feminismus. Mit der Ausstellung „The harder they come“ macht Peter Nansen Scherfig im Sparwasser HQ ein Pluriversum des Männlichen auf

Der Feminismus hat neben den Geschlechtern auch die Bilder von Frauen differenziert. Gender-Studien erschlossen neue Felder des Weiblichen: von der akademischen Mittelschichtsfrau über das hedonistische Riot Girl bis zur Steroide schluckenden Power Dyke. Je nach Konstruktion hing an dem Geschlecht eine Menge Alltagssymbolik, die decodiert werden musste. Männer sind da ähnlich komplex. Nur wird bei Männern zumeist gar nicht erst nach den geschlechtsspezifischen Grundlagen gesucht, sondern lieber gleich eine Identität unterstellt, die den doch stets auch unterscheidbaren Schwanz in der Hose mit dem einen großen Menschheitssignifikanten gleichsetzt. Darüber hat sich der dänische Künstler Peter Nansen Scherfig geärgert und acht Künstler und eine Künstlerin zu Gegenmaßnahmen eingeladen. Seine Ausstellung „The Harder They Come“ ist nach Kopenhagen jetzt in der Galerie Sparwasser HQ zu sehen.

Dabei ist zumindest Scherfigs Bild vom Mann deutlich ausgefallen: Der Skinhead verkörpert für ihn mustergültig Zuschreibungen des Männlichen.Machtfixiert, kampferprobt, gut gebaut, gut gedrillt, kumpelhaft und homosexuell. Perfekt sind Scherfigs neun digitale Männerkörper-Prints deshalb noch nicht, nur sehr stilisiert. Wer sie analysiert, könnte vermuten, dass diese inszenierten Herr-und-Knecht-Spiele mehr von der äußeren Erscheinung geprägt sind als von den dunkel dahinter dräuenden Nazi-Ideologien. Wenn aber auch bei Skinheads die Schönheit von Innen kommt, dann sind die schwulen Oberflächenreize ein Trugbild, bei dem die Pose ebenso zur Konstruktion von Sexualität gehört wie die ledernen Outfits der lesbischen L.A.-Butchs.

John Øivind Eggesbøs Fotos von Teenagerjungs, die an Deck der Viking Line abhängen, sind am entgegengesetzten Ende der Skala angesiedelt. Vollkommen vom Schnaps geschafft, versuchen die übernächtigten Knaben einigermaßen cool in die Kamera zu starren und sind dabei vor allem: unentschieden. Der Wunsch nach Souveränität sackt morgens um 5 Uhr 30 zwischen den Sitzkissen zusammen. Eggesbø vermeidet jede Festlegung auf irgendwelche Zugehörigkeiten und sucht jenseits der Vorlieben in Sachen Sex nach den Zufälligkeiten der Adoleszenz. Die jungen Leute sind noch von keiner Enttäuschung und keinem Selbstzweifel gezeichnet; ihre Kleidung ist so unspektakulär, wie es die Jeansshop-Mode eben zulässt – in tougher Bomberjacke oder als schluffiger Sweatshirt-Typ.

Dennoch ist das Pluriversum der Männlichkeit eine Angelegenheit, für die sich offenbar eher Männer interessieren, die auch sonst Männer lieben. Dazwischen wirken die schwarzweißen Duschfotos von Janine Gordon ein wenig abseits von den Bedeutungszusammenhängen der Homosexualität. Schüchtern seifen Hände tätowierte Bäuche ein und das, was drunterliegt.

Nur in Jesper Justs Video-Hommage an Michael Douglas’ Amoklauf in „Falling Down“, zielt der Befreiungsakt des alternden Kofferträgers auf eine von Arbeit und sozialer Disziplinierung geprägte Welt ab. Doch am Ende des Zeitlupen-Loops brüllt auch der Beamte wie ein Löwe, der sein Revier verteidigt.

Die erstaunlichste Verschiebung gelingt Don Bury mit „Saturday Night Fever“. Sein Neuschnitt der Travolta-Tanzorgie lässt sämtliche Bilder aus, in denen Frauen im Original auftraten, dazu läuft Thelma Houstons „Don’t leave me this way“ als Queer-Soundtrack. Plötzlich sieht man die Latin Lovers nach Männern gieren, statt unter fremde Röcke zu greifen wird am eigenen Hosenstall gezupft. Damit macht Burys Dekonstruktion der Disco-Ikone kenntlich, was im Film vermutlich schon vorher den schwulen Subtext gebildet hat. Nur beim Tanzen und vor dem Spiegel ist Travolta immer noch am liebsten mit sich alleine. HARALD FRICKE

Bis 9.02., Mi-Fr 16-19 Uhr; Sa 14-18 Uhr; Sparwasser HQ, Torstraße 161