„Im Grundgesetz sichtbar“

Baden-Württembergs Justizminister Ulrich Goll (FDP) erklärt, warum er ein „Grundrecht auf Datenschutz“ fordert. Denn das Verfassungsgericht hat schon einschlägig geurteilt

taz: Herr Goll, Sie fordern, das Grundgesetz um ein „Grundrecht auf Datenschutz“ zu erweitern. Warum?

Ulrich Goll: In der Verfassung muss klargestellt werden, dass es im liberalen Rechtsstaat keine „gläsernen Bürger“ geben darf. Die Menschen sollen grundsätzlich selbst darüber entscheiden, wer welche Daten von ihnen erhält und speichern kann. Und soweit der Staat aus übergeordneten Interessen Daten auch gegen den Willen der Bürger verarbeiten darf, sollen diese zumindest wissen, um welche Daten es sich handelt.

Genau dasselbe hat das Bundesverfassungsgericht 1983 in seinem Volkszählungsurteil auch gesagt. Damals sprachen die Richter von einem „Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung“, Sie nennen es nun „Grundrecht auf Datenschutz“. Wo liegt der Unterschied?

Es gibt keinen Unterschied. Wir wollen jedoch, dass dieses Grundrecht auf Datenschutz endlich auch in der Verfassung sichtbar ist. Als das Grundgesetz 1949 geschaffen wurde, gab es ja noch kaum elektronische Datenverarbeitung.

Das Karlsruher Urteil ist auch ohne entsprechende Erwähnung im Grundgesetz verbindlich. Haben Sie den Eindruck, es wird von den Gerichten in Deutschland nicht genügend beachtet?

Das Problem ist eher der Gesetzgeber. Im Rahmen von Schilys Sicherheitspaket wurden viele Dinge diskutiert, bei denen der Datenschutz offensichtlich nicht mehr als wichtiges Bürgerrecht wahrgenommen wird. Solchen Entwicklungen müssen wir vorbeugen.

In Baden-Württemberg regieren Sie gemeinsam mit einem Ministerpräsidenten Erwin Teufel, der sagte: „Menschenschutz geht vor Datenschutz.“

Es kann nicht darum gehen, den Datenschutz gegen Menschenschutz auszuspielen – auch Datenschutz ist Menschenschutz. Eine Grundgesetzänderung könnte hier das Bewusstsein schärfen.

Allein kann die FDP das Grundgesetz nicht ändern. Wie wollen Sie vorgehen?

Das Ziel ist eine Bundesratsinitiative des Landes Baden-Württemberg.

Und wenn die CDU die blockiert?

Bislang habe ich keinerlei Anhaltspunkte dafür.

Für eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat brauchen Sie neben den Stimmen von Rot-Grün auch die der CDU. Besteht nicht die Gefahr, dass die Union Ihre Vorlage nutzt, um den von Karlsruhe vorgegebenen hohen Standard zu verwässern? Dann wäre ihre Initiative nach hinten losgegangen . . .

Diese Gefahr sehe ich nicht. Hinter das Karlsruher Urteil kann niemand zurück.

INTERVIEW:
CHRISTIAN RATH