Mord im Auftrag der PKK

„Lebenslänglich“ für den Kurden Farit Aycan: Er soll den linken Türken Timuroglu ermordet haben. An dem Fall zerstritten sich 1986 türkische und deutsche Linke

HAMBURG taz ■ Fast 16 Jahre nach dem Mord an dem linken Türken Kürsat Timuroglu in Hamburg ist das düstere Kapitel juristisch abgeschlossen. Der Staatsschutzsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts verurteilte gestern den 38-jährigen Kurden Farit Aycan wegen Mordes zu lebenslanger Haft. Für das Gericht ist erwiesen, dass der Exkader der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) am 25. Februar 1986 den Repräsentanten der rivalisierenden Devrimci Isci (Revolutionäre Arbeiter), der deutschen Sektion der Devrimci Yol (Revolutionärer Weg), auf offener Straße hingerichtet hat.

Das Gericht ist zudem überzeugt, dass der Angeklagte im Auftrag der PKK-Führung gehandelt hat, um einen Befürworter einer gewaltfreien Lösung mit der türkischen Regierung zu beseitigen. Zu den politischen Hintergründen, seiner Rolle in der PKK und dazu, ob der Mordauftrag direkt von PKK-Chef Abdullah Öcalan gekommen war, machte Aycan keine Angaben. Es bringe nichts, viel zu sagen, er könne es leider nicht wieder gutmachen, erklärte er nur.

Die Beweislage gegen Aycan war nach seiner Festnahme im Jahr 2000 erdrückend. Aycan hatte vor der Tat tagelang Timuroglus Wohnung von einem Café aus observiert. Als der Sozialarbeiter an jenem Morgen das Haus verließ, stürmte der Kurde aus der Konditorei und schoss auf Timuroglu. Verletzt schleppte sich dieser noch in einen Laden, wurde dort aber von Aycan durch zwei Kopfschüsse getötet. In dem Café hinterließ Aycan deutliche Fingerabdrücke.

Trotz Tatzeugen und Fahndungsfoto tappten die ErmittlerInnen jahrelang im Dunkeln. Gefahndet wurde nur nach einem Bild ohne Namen, bis 1993 aus PKK-Kreisen ein Hinweis auf Farit Aycan einging. Daraufhin wurde er als mutmaßlicher Täter auf die internationale Fahndungsliste gesetzt. Bis zu seiner zufälligen Festnahme im September 2000 an der Grenze zu Bosnien lebte Aycan als wohlhabender Unternehmer in der Türkei. Ihm werden enge Beziehungen zum türkischen Geheimdienst MIT nachgesagt.

Der Mord an Timuroglu und weitere Attentate in Hannover und Paris führten 1986 zur Spaltung der ohnehin schon in Richtungskämpfen zerstrittenen türkischen Linken in Deutschland. Für große Teile der deutschen Linken machte sich an dem Mord die Frage fest, ob die PKK ihre Unterstützung verdiene. Auch die taz wurde damals mehrfach von PKK-Anhängern besetzt. Für Timuroglus Freunde handelte der Killer klar im Auftrag der PKK, die bereits wegen ihrer Liquidierungspolitik gegen so genannte Dissidenten attackiert worden war. Nach anfänglich sehr zaghaften Dementis distanzierte sich dann aber ein PKK-Europavertreter im März 1986 in Hamburg eindeutig von dem Mord und nannte ihn kontraproduktiv. Die PKK stehe zwar zu Strafaktionen gegen Verräter aus den eigenen Reihen, lehne aber militärische Auseinandersetzungen mit anderen Organisationen strikt ab. Zu diesem Zeitpunkt befand sich Aycan allen Erkenntnissen nach aber schon wieder im Nahen Osten in einem PKK-Guerilla-Ausbildungslager und wurde von Parteichef Öcalan für die Tat gefeiert.

Der PKK-Prozess ging wesentlich schneller zu Ende als erwartet. Einzelne Tatzeugen sind inzwischen verstorben, andere – darunter ein Öcalan-Leibwächter – sagten nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit aus. PKK-Kronzeugen ließen sich durch ihre Vernehmungsbeamten beim Bundeskriminalamt vertreten. Sie sagten aus, es sei durchaus die Regel gewesen, dass Parteichef Öcalan selbstständig Befehle zum Mord an Dissidenten oder politischen Gegnern erteilte, ohne dass die PKK-Europaführung oder die Kader in den europäischen Städten davon wussten. KAI VON APPEN