Windkraft in Deutschland: Ausstiegsdebatte um Offshoreanlagen

Windmühlen auf hoher See seien in Deutschland ein teurer Irrweg, sagen Verbraucherschützer. Die Branche wehrt sich - und kommt mit dem Ausbau ohnehin nicht voran.

Dreht sich und macht Strom: Offshore Windpark Gunfleet Sands vor der englischen Nordseeküste. Bild: Paul Langrock/Agentur Zenit

BERLIN taz | Für den nächsten Kostenschock bei den Strompreisen könnte die Offshore-Windkraft sorgen, fürchten Verbraucherschützer. Der Energieexperte der Verbraucherschutz-Bundesverbands (VZBV), Holger Krawinkel, fordert nun, ganz auszusteigen. „Der Bau von Seewindanlagen weit draußen und tief im Meer stellt sich immer mehr als ein ökonomischer und technologischer Irrläufer heraus“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa.

Offshore-Windkraft ist nach Plänen der Bundesregierung fester Bestandteil der Energiewende. Momentan sind rund 200 Megawatt errichtet, bis 2020 plant der Bund mit 10.000 Megawatt Leistung, was bei derzeit verfügbaren Turbinen etwa 1.500 bis 2.500 Windräder auf See ausmacht. Sie würden so viel Strom erzeugen wie vier bis fünf Atomreaktoren. Zehn Jahre später sollen es dann 25.000 Megawatt sein.

Ein Windrad auf See läuft im Jahr rund doppelt so viele Stunden wie an Land; trotzdem ist der Strom wegen des aggressiven Salzwassers, der komplizierten Wartung und der Verankerung am Meeresgrund teurer – nach aktuellen Vergütungssätzen rund ein Drittel. Als Alternative schlägt der Verbraucherschutz mehr Windräder an Land und mehr Solarmodule vor, die immer billiger zu haben seien.

Dadurch würden auch weniger Netze benötigt, was zusammen rund zwei Milliarden Euro im Jahr sparen würden, heißt es in einer Studie, auf die sich Krawinkel bezieht. „Die Frage für die Verbraucher ist: Wollen sie lieber teure Offshore-Windkraft oder günstigere an Land, die dafür sichtbarer ist?“, sagt Niels-Sönnick Schnoor, Referent für erneuerbare Energien beim VZBV.

Der Verband glaubt zudem nicht, dass die Meereswindkraft künftig signifikant billiger wird. Dem widersprechen Branchenvertreter allerdings. „Wir stehen noch ganz am Anfang der Lernkurve und sehen große Potenziale, um Kosten zu senken“, sagt etwa Ronny Meyer, Geschäftsführer der Windenergie-Agentur WAB. Als Beispiel nennt er leistungsstarke Windturbinen für Offshore-Windparks, deren Fertigung noch nicht automatisiert ist.

Auch Spezialschiffe würden die Kosten senken, die bisher teure Wartung könnte zentralisiert werden. Meyer verweist auf eine Studie der staatlich-britischen Crown Estate, die der Offshore-Windkraft dort bis 2020 Kostensenkungen von rund 30 Prozent prognostiziert. Er warnt davor, die Branche, die seit zehn Jahren aufgebaut wird, nun abzuwürgen. „Der Verbraucherverband hat auch schon bei der Photovoltaik unterschätzt, wie schnell die Kosten sinken“, sagt Meyer. Er geht ohnehin davon aus, dass bis zum Jahr 2020 maximal 7.000 Megawatt Windleistung im Meer steht – deutlich weniger, als die Regierung plant.

Dass es wegen der Verzögerung zu einem Stromengpass kommt, ist zudem unwahrscheinlich. Denn obwohl Deutschland vor zwei Jahren acht Atomkraftwerke abgestellt hat, exportierte das Land 2012 so viel Strom wie seit fünf Jahren nicht mehr, deutlich mehr als es importierte.

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