Piraten-Gutachten unter Verschluss: Karriere geht vor Transparenz

Der Landesvorstand in NRW hielt ein Gutachten geheim, das die Listenaufstellung zur Bundestagswahl für rechtswidrig erklärte. Nun gibt es heftigen Streit darüber.

Aufstellung der Kandidatenliste auf dem Parteitag in Meinerzhagen. Bild: dpa

KÖLN taz | Bei den Piraten an Rhein und Ruhr herrscht dicke Luft. Es gibt heftigen Streit um die Listenaufstellung für die Bundestagswahl. Der Landesvorstand steht schwer unter Beschuss, weil er ein kritisches Gutachten über die Rechtmäßigkeit der Versammlung Ende Januar zurückgehalten hat. Aus egoistischen Gründen seien Parteiprinzipien verraten worden, kritisieren mehrere Landtagsabgeordnete der Partei.

In dem selbst vom Vorstand der NRW-Piraten in Auftrag gegebenen Gutachten heißt es, die Kandidatenaufstellung sei rechtswidrig, da die Einladungsfrist nicht eingehalten worden sei. Deshalb wird in dem Schreiben vom 22. Januar empfohlen, die Wahl der Liste zu verschieben.

Doch der Vorstand folgte der Empfehlung nicht und hielt das Gutachten geheim. Als wäre nichts gewesen, fand am darauffolgenden Wochenende die Wahlkonferenz im sauerländischen Meinerzhagen statt.

Das sorgt jetzt für Empörung. Der Landtagsabgeordnete und Ex-Landeschef Michele Marsching spricht von einem „Verrat“ an den eigenen Idealen. Schließlich gehöre zu den obersten Grundätzen der Piraten die Forderung nach Transparenz.

Es enttäusche ihn, „dass kein Vorstandsmitglied den gesunden Menschenverstand oder die Eier hatte, dieses Gutachten offen zu legen“. Hier hätten „Personen ihre Karriere und ihr eigenes Wohl über die Ziele des Amtes gestellt, in das sie gewählt wurden“.

Unterschiedliche Bewertungen

Treibende Kraft, das Gutachten nicht zu veröffentlichen, war der kommissarische Politische Geschäftsführer Alexander Reintzsch. Das geht aus einem internen E-Mail-Protokoll hervor. Darin plädiert der Softwareentwickler dafür, die Rechtslage „aus politischen Gründen anders“ zu bewerten als der Gutachter.

Außerdem empfiehlt er: „Das Gutachten sollte erstmal unter Verschluss bleiben.“ Denn seine Veröffentlichung würde „uns, der Partei und allen Beteiligten das Leben in den nächsten Monaten nicht leichter machen“.

Reintzsch, auf Platz 10 gewählt wurde, habe egoistische Interessen verfolgt, kritisiert der Landtagsabgeordnete Daniel Düngel. Es sei ihm offenkundig darum gegangen, seine Chancen auf einen aussichtsreichen Listenplatz nicht zu schmälern.

Rücktritt gefordert

Bei sofortiger Veröffentlichung wäre er nicht auf die Liste gekommen, so Düngel, der Versammlungsleiter in Meinerzhagen war, in seinem Blog. „Hier lag also ein unmittelbar persönliches Interesse vor, dass Gutachten zu verschleiern.“ Düngel fordert den Rücktritt.

Der auf Platz 2 gekürte renommierte Rechtsanwalt Udo Vetter sieht die Angelegenheit gelassener. Zwar sei die Nichtveröffentlichung des Gutachtens ein Fehler gewesen. Aber größere Auswirkungen habe er nicht. Bisher habe es noch keine Anfechtungen gegeben, die mit der Einladungsfrist begründet waren.

„Es hat sich also noch keiner in seinen Rechten verletzt gefühlt.“ Die juristische Expertise halte er ohnehin für unzutreffend. Der Verstoß gegen die Ladungsfrist sei denkbar marginal. „Ergebnis: unerfreulich, aber kein Grund zur Panik“, konstatiert Vetter.

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