DIE GRÜNEN SAGEN JA ZUM KRIEG GEGEN DEN TERROR
: Endlich: Klarheit

Der Parteitag von Bündnis 90/Die Grünen in Rostock hat die Klarheit geschaffen, die Außenminister Joschka Fischer gefordert hatte. Mit überwältigender Mehrheit haben die Delegierten den Kurs der rot-grünen Bundesregierung akzeptiert und sich für die Fortsetzung der Koalition ausgesprochen. Ein paar sprachliche Arabesken im Leitantrag ändern nichts an der Kernaussage: Die Grünen haben einer deutschen Beteiligung am Krieg gegen den internationalen Terrorismus zugestimmt. Jetzt weiß man also, woran man ist.

Niemand in den Reihen des grünen Führungspersonals wünscht nun aber Massenaustritte der Kriegsgegner, im Gegenteil. Schließlich ist der Parteispitze klar, dass die wahre Gefahr für die Grünen nicht in der Spaltung liegt, die manche Leitartikler unverdrossen einmal jährlich heraufbeschwören. Sondern in der Erosion. Deshalb wurden die Verlierer schmeichelnd umworben: Auch weiterhin blieben die Grünen eine „Antikriegspartei“, versprach Vorstandssprecherin Claudia Roth, und eine Partei des „politischen Pazifismus“. Was immer das sein mag. Eine kluge Parteitagsregie sorgte dafür, dass ein Antrag keine Mehrheit fand, der den Krieg noch klarer billigte als das Papier des Bundesvorstands. Dies erschien somit plötzlich als Kompromiss zwischen den verschiedenen Lagern. Politisch ist das verlogen. Zwischen einem Ja und einem Nein zu einem Krieg gibt es keinen Kompromiss. Die Grünen haben Ja gesagt.

Aber die Kriegsgegner sollen eben weiterhin ihren Platz bei den Grünen behalten – jedenfalls wenn sie von nun an die Klappe halten. Ungewöhnlich offen hat Joschka Fischer den Delegierten vor der Entscheidung gesagt, was ihre mögliche Zustimmung bedeute: nämlich eine Unterstützung seiner Politik mindestens bis zum Ende der Legislaturperiode. Punkt. Er will nicht alle paar Wochen um die Mehrheit bangen müssen. Das ist verständlich, und es ist auch inhaltlich konsequent. Die Partei hat am Wochenende einen so weitreichenden Beschluss gefasst, dass sie die Öffentlichkeit nun nicht bei jeder neuen Entwicklung – etwa einem Angriff auf Somalia – mit weiteren Zerreißproben belästigen sollte. Die grundsätzliche Entscheidung ist getroffen: Auch die Grünen halten Krieg unter bestimmten Umständen für ein legitimes Mittel der Politik. Wer diese Partei von nun an wählt oder ihr angehört, weiß das. Der interne Konflikt ist entschieden.

Joschka Fischer ist übrigens kein Kriegstreiber. Der Vorwurf zielt in die falsche Richtung. Es ist ja nicht so, dass der Außenminister vor Freude über Militäreinsätze deutscher Soldaten in aller Welt rote Backen bekommt. Wenn er sagt, dass ihm Frieden lieber ist als Krieg, dann wird das schon stimmen. Allerdings ist diese Aussage kein Anlass für Standing Ovations, sondern eine Binse. Welcher Spitzenpolitiker sähe das anders? Auch Gerhard Schröder, Volker Rühe, Edmund Stoiber und Guido Westerwelle sind schließlich keine Kriegstreiber. Aber sie alle sehen im Krieg inzwischen wieder eine von mehreren Optionen, um politische Ziele durchzusetzen. Wie sich im Kosovo-Konflikt gezeigt hat, gilt das ausdrücklich auch für einen Angriffskrieg.

Parteiübergreifend begründen Politiker diesen ungeheuerlichen Wertewandel mit den neuen Herausforderungen der neuen Zeit. Alle Bundestagsparteien außer der PDS kommen in Fragen der Außenpolitik inzwischen zu sehr ähnlichen Einschätzungen. Die Grünen haben sich von der Konkurrenz bislang allerdings dadurch unterschieden, dass ihre Spitzenpolitiker uns regelmäßig über die Entwicklung ihres Gefühlshaushalts informierten. Damit sollten sie jetzt auch aufhören. Für diejenigen, die im Bombenhagel sterben, macht es nicht den geringsten Unterschied, ob die Verantwortlichen darüber traurig sind.

Das Ergebnis des Parteitages als solches hat kaum jemanden überrascht, wohl aber die eindeutigen Mehrheitsverhältnisse. Für die Stimmung der Delegierten dürften die erfreulichen Fernsehbilder glücklicher Menschen in Kabul eine wichtige Rolle gespielt haben. Sie überdecken die Tatsache, dass der Krieg nicht für die Frauenrechte geführt wurde und dass es nicht ungewöhnlich ist, wenn selbst verheerende politische Entscheidungen die eine oder andere positive Begleiterscheinung mit sich bringen. Ob der Stimmungswandel der Delegierten von den Wählern honoriert wird, bleibt abzuwarten. Gewiss sind sicherheitspolitische Erwägungen nur für eine Minderheit der Bevölkerung wahlentscheidend. Aber so sehr viele Stimmen haben die Grünen bekanntlich nicht mehr zu verschenken. BETTINA GAUS