Gender Mainstreaming

■ Erfahrungen aus der Heinrich Böll-Stiftung: Gender Mainstreaming heißt nicht Frauenförderung, sondern auch mehr Männer als Kindergärtner

Frauenförderung ist „out“, Gender Mainstreaming „in“. Das heißt aber noch lange nicht, dass der Begriff keine Fragen mehr offen lässt: Ist dieser Anglizismus nur ein neues Etikett für die alte Tante Frauenförderung? Was haben die Männer damit zu tun? Und noch viel wichtiger: Kann man das auch in der Realität anwenden?, wie sich die Bremer Arbeitnehmerkammer fragte.

Das englische „gender“ meint das kulturell und sozial konstruierte Geschlecht, im Gegensatz zum rein biologischen „sex“. Das Prinzip des Gender Mainstreaming will die konstruierten Unterschiede zwischen den Geschlechtern ins Zentrum der Politik und Organisationsstrukturen rücken – eben zum „Mainstream“-Thema machen.

Und in der Praxis? In der in Berlin ansässigen Heinrich-Böll-Stiftung nutzt man mittlerweile seit vier Jahren das Instrument des Gender Mainstreaming, um dem visionären Ziel der „Geschlechterdemokratie“ näher zu kommen. Was das bedeutet, stellten jetzt Gabriele Schambach und Henning von Bargen in der ArbeitnehmerInnenkammer in Bremen vor. Schambach und von Bargen arbeiten gemeinsam auf der Stabsstelle für Geschlechterdemokratie in der Stiftung. Außerdem hat die Heinrich-Böll-Stiftung eine Beratungsgruppe, in der aus fast allen Stiftungsabteilungen MitarbeiterInnen vertreten sind. Hier werden alle Schwierigkeiten, die GM mit sich bringt, besprochen.

Schambach und von Bargen gehen davon aus, dass alle MitarbeiterInnen einer Organisation eine „Gen-derkompetenz“ erwerben können und am besten auch sollten. Der Erwerb von Genderkompetenz meint, dass sich diejenigen „Wissen oder Erfahrungen über die Entstehung von Geschlechterdifferenzen und über die komplexen Strukturen der Geschlechterverhältnisse und ihre Konstruktion“ aneignen. So formulieren es die ReferentInnen.

Genderkompetenz wird in speziellen Trainings vermittelt. Die Heinrich-Böll-Stiftung organisiert seit 1998 solche Schulungen. Schambach und von Bargen setzen bei der Teilnahme bislang auf Freiwilligkeit, ganz einfach aus pragmatischen Gründen: „Wenn so ein Training einen Tag dauern soll, und man den halben Tag damit beschäftigt ist, Widerstände bei denen abzubauen, die zum Training gezwungen worden sind, bleibt zu wenig Zeit für alles andere“, erklärt von Bargen.

So ein Training läuft auf unterschiedlichen Ebenen ab: Auf der persönlichen Ebene findet vor allem eine Sensibilisierung für Geschlechterrollen und ihre Auswirkungen auf die Zusammenarbeit unter den KollegInnen statt. Auf theoretischer Ebene wird Wissen über gesellschaftliche Arbeitsteilung, unterschiedliche Zugänge zu Ressourcen und Bildung oder Männer- und Frauenforschung diskutiert.

Eine dritte Ebene ist die handlungsorientierte. Die stellt möglicherweise die größte Herausforderung dar, denn hier geht es um die Übertragung auf den eigenen Arbeitsbereich. „Spannend wird es zum Beispiel in der EDV-Abteilung“, so Gabriele Schambach. Auch da haben sich wichtige Ansatzpunkte gefunden. Schambach erzählt: „Die EDV-Abteilung hat festgestellt, dass zwar zahlenmäßig viel mehr Frauen anrufen, deren Probleme aber sehr viel anwendungsbezogener sind. Das bedeutet, dass die Fragen in der Regel kurz und bündig zu beantworten sind. Die meisten Männer dagegen rufen bei der EDV-Hotline erst viel später an, weil sie meinen, sie könnten ihr Problem alleine lösen. Die Folge ist, dass die dann telefonische Problemlösung oft sehr lange dauert.“ Daraus könne man schließlich ableiten, für wen man welche Computerschulung organisieren müsse, erläutert Schambach abschließend.

Um der Erfüllung der großen Gemeinschaftsaufgabe Geschlechterdemokratie näher zu kommen, entwickelt die Personalabteilung der Heinrich-Böll-Stiftung möglichst flexible Arbeitszeitmodelle, die allen MitarbeiterInnen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erleichtern sollen.

Grundsätzlich betonen von Bargen und Schambach, dass Gender Mainstreaming mehr sei, als Frauenförderung. Ziel sei es, durch die Genderperspektive die internen Strukturen einer Organisation so zu verändern, dass unterschiedliche Perspektiven von Männern und Frauen einbezogen werden. So könne die Beachtung dieser Perspektiven eine neue Qualität der gemeinsamen Arbeit erreicht werden.

Gesellschaftlich gesehen könne Gender Mainstreaming auch heißen, Männerförderung im Bereich der reproduktiven Arbeit zu betreiben. Es gebe viel zu wenige Kindergärtner oder Grundschullehrer. Der Bereich Erziehung sei eine starke Frauendomäne, die es zu verändern gelte, nannte von Bargen ein Beispiel. Also haben auch Männer was von Gender Mainstreaming,zumindest in der Theorie.

Ulrike Bendrat