City stripping

■ Drei Künstler zeigen in den Räumen der Gesellschaft für Aktuelle Kunst, was vor und hinter dem Mythos der modernen Stadt zum Vorschein kommt

Die Ideologie der modernen Stadt folgte der sozialen Entwicklung des Menschen: Sie sollte alle ihre Bewohner gleichwertig beherbergen. In der Ausstellung „City Stripping“ in der Gesellschaft für Aktuelle Kunst (GAK) zeigen drei Künstler unterschiedliche Sichtweisen zur heutigen Entwicklung dieser Vision. „Stripping bedeutet: die Struktur freilegen“, erklärt Eva Schmidt, Leiterin der GAK. Freilegen für einen freien Blick auf das „begehrte Objekt“, was im Falle der Ausstellung die Stadt ist.

Der Bremer Achim Bitter hat in seiner Skulptur die Vorstellung einer Stadt ohne Hierarchie verwirklicht. Bettgestelle, schwere alte Schrankwände, Lampen aus den 60ern und himmelblaue Kommodentürchen bilden eine „labyrin-thisch wuchernde Skulptur ohne Zentrum und ohne Peripherie“, wie Eva Schmidt das Werk beschreibt. Die Möbelstücke für seine begehbare Skulptur, einst weggeworfen und hier wiederverwendet, erhielt der Künstler in Zusammenarbeit mit „Elrond“, einem freien Förderkreis zur Selbsthilfe ehemals Drogenabhängiger. Dieser Kontakt unterstützt die Aussage der sozialen Gleichwertigkeit, die die moderne Stadt verspricht.

Vor vierzig Jahren lagen ungeheure Hoffnungen auf der neu eingeweihten Stadt Brasília, der Hauptstadt Brasiliens. Eine klassenlose Stadt sollte es sein; die Wohnmaschine, deren Aufgabe es war, die Menschheit zu befreien. Die Künstlerin Ania Corcilius erzählt dem Zuschauer in ihrem Film etwas über diese Anforderungen und über die heutigen Standpunkte: Eine 30-köpfige Reisegesellschaft ist auf dem Weg von dem kleinen Ort BrasiliÛndia in die Hauptstadt. Die einzelnen Personen haben ihrejeweils eigene Sichtweise von der Geschichte und Entwicklung Brasílias, die sie manifestartig vortragen. Bei dem Werk „Brasília – BrasiliÛndia“ tritt die tatsächliche Fassade der Stadt in den Hintergrund, während „im Kopf ein komplexes Bild der ,Hauptstadt der Hoffnung' entsteht“, erläutert Eva Schmidt.

Paula Roush thematisiert am Beispiel Frankfurts als Mitspieler in der internationalen Finanzwelt geographische Veränderungen eines Stadtbilds. In ihrem Computerspiel „Frankfurtress Ghetto Blast“ symbolisiert sie einzelne Stadtteile und deren Bewohner und zeigt die Bedeutung der geographischenLage auf. Die Stadtteile bekommen Punkte zugeteilt: die Citadel, der ökonomische Mittelpunkt der Stadt, erhält 1000 Punkte, während das Ghetto ganz an den Randgedrängt ist und mit nur 400 Punkten bewertet wird. Per Mausklick kommen auf der symbolisch gestalteten Oberfläche Fotografien von Frankfurts Innenstadt zum Vorschein. Das Videospiel steht am Anfang diverser Ausarbeitungen von Paula Roush, wie einer Reihe von Bildern, die außen an der GAK angebracht sind.

Die Arbeiten der drei Künstler seien ein „kleiner, aber exemplarischer Ausschnitt aus der gegenwärtigen Kunstproduktion“, erklärt Eva Schmidt, „die sich mit der Analyse und Entwicklung der Stadt auseinandersetzt.“

Britta Schatz

Die Ausstellung ist noch bis zum 18. November in der GAK zu sehen.