Sicherheit: Der neue Polizeipräsidentin

Polizeichef Klaus Kandt arbeitet mit seiner Vorgängerin de facto als Doppelspitze zusammen – auch am 1. Mai.

Der Berliner Polizeipräsident Klaus Kandt Bild: DPA

Hardliner, Zauderer, Henkels Buddy – Attribute wie diese sind Klaus Kandt vorausgeeilt, als er im Dezember von Innensenator Frank Henkel (CDU) zum Polizeipräsidenten von Berlin gekürt wurde. Die ersten 100 Tage hat er beinahe geräuschlos überstanden. Die eigentliche Feuerprobe indes steht jetzt bevor: Der 1. Mai. Er werde nicht von der bewährten Doppelstrategie, auch Deeskalationsstrategie genannt, abweichen, bekräftige Kandt am Freitag vor Journalisten. Und er überraschte mit bis dato unbekannter Transparenz. Erstmals hat die Polizei im Vorfeld die genaue Route der NPD-Demonstration am 1. Mai bekanntgeben.

Tickt der konservative Polizeipräsident am Ende ganz anders, als seine Kritiker meinen? Und welche Rolle spielt dabei die liberale Vizepräsidentin und Juristin Margarete Koppers, die viele Berliner lieber an der Spitze der Hauptstadtpolizei gesehen hätten?

Im Februar haben 800 Polizisten in Kreuzberg trotz anhaltender Proteste die Zwangsräumung einer Mietwohnung durchgesetzt. „Herr Kandt, ist das jetzt die Berliner Linie?“ möchte man ihn gern fragen. Aber so kurz vor dem 1. Mai führt der Polizeipräsident keine Einzelgespräche mit der Presse. Hört man sich in der 22.000 Mitarbeiter zählenden Behörde um, wird über den Neuen viel Positives erzählt. Häufig fallen Begriffe wie „koopperativ“, „offen“ oder „mitarbeiterzugewand“. Bemerkenswert ist vor allem aber eines: Stets ist die Rede vom „Duo“ Kandt und Koppers. Er könne sich gut vorstellen, mit der Vizepräsidentin im Team zusammenzuarbeiten, hatte Kandt schon im Dezember gesagt. „Wir sind ein Doppelpack.“

Das hat sich nun offenbar bewahrheitet. „Sie begreifen sich als Doppelspitze und stellen sich bei Besprechungen auch so vor“, erzählt einer, der in der Polizei viel rumkommt. „Die beiden machen klar, dass es keinen Sinn hat, zu versuchen, sie gegeneinander auszuspielen.“ Unter dem früheren Polizeipräsidenten Dieter Glietsch habe der Flurfunk immer so gelautet: „Was sagte der Alte?“ – „Und was sagt die Vize?“ Glietsch war Alleinregent, Koppers allenfalls beratende Kronprinzessin – das ist jetzt anders.

Über sich Henkel, neben sich Koppers, unter sich die Direktionsleiter – Kandt müsste ein Typ mit Ellenbogen sein, um sich da durchsetzen. Aber das ist seine Sache nicht. Bei öffentlichen Auftritten im Innenausschuss und bei Pressekonferenzen wirkt er unbeholfen. Er ringt nach Worten, verheddert sich. Am Ende fragt man sich, was meint der eigentlich? Fast noch schlimmer ist, wenn er abliest, was ihm seine Leute in schlimmstem Bürokratendeutsch aufgeschrieben haben. Es wirkt fast so, als habe er Lampenfieber. Kaum vorstellbar, dass dieser Mann beim SEK mal Türen eingetreten hat. Aber man könnte sagen: Lieber ein Polizeipräsident, der Gefühlsregungen zeigt, als ein cooler Rhethoriker, der vor Kraft und Selbstgefälligkeit kaum Laufen kann.

Es gibt auch andere Interpretationen. Neulich im Innenausschuss: Kandt präsentiert die Kriminalstatistik 2012. Bei der Gelegenheit äußert er, dass Asiaten weniger gewaltbereit seien als Südosteuropäer. Es sind nicht nur Aussprüche wie diese, die den Fraktionschef der Linken, Udo Wolf, misstrauisch machen. „Ist das ungeschickt oder ist Kandt ein Überzeugungstäter?“, fragt er sich. Er tendiert eher zu letzterem: „Kandt haut Dinger raus, rudert auf Nachfrage zurück und bestätigt sie dann noch mal.“ Dahinter steckt für den Linkenchef ganz klar eine Strategie: Kandt wickele „schleichend“ die bei großen Teilen der geschlossenen Einheiten ohnehin ungeliebte Deeskalationsstrategie ab.

Der neue Polizeichef habe generell wenig Distanz zu den Einheiten, beobachtet Wolf. Kandt sei keiner, der sich wie sein Vorgänger Dieter Glietsch dem Corpsgeist entgegenstemme. „Gegen den Corpsgeist muss man ständig anarbeiten, sonst lebt er wieder auf“.

Der innenpolitische Sprecher der Piraten Christoper Lauer sagt, er sei es Leid, sich im Ausschuss erst von Innensenator Henkel Sprechzettel vorlesen zu lassen und dann von Kandt. „Wir hätten gerne Frau Koppers zurück“, bekennt der Pirat. In ihrer Zeit als Interimspräsidentin habe Koppers „die Latte hochgehängt“, sagt Lauer. „Sie hat hart argumentiert, fundierte juristische Einschätzungen gegeben, klar Fehlverhalten benannt und sich trotzdem vor ihre Truppe gestellt.“

Was heißt das nun alles für den schwierigen Tag des 1. Mai? Alle wichtigen Entscheidungen polizeitaktischer Natur werden von den vier altgedienten Polizeiführern getroffen. „Wer da oben Senator ist, spielt keine Rolle“, heißt es im Polizeijargon. Für die Walpurgisnacht ist Klaus Keese zuständig, für den NPD-Aufzug samt Gegenaktionen in Schöneweide Michael Knape, für Kreuzberg Bernhard Kufka. Jürgen Klug hat als Gesamteinsatzleiter wie in den vergangenen sieben Jahren zuvor den Hut auf. „Wir setzen wieder auf die bewährten Führungskräfte der Vorjahre“ sagte Kandt am Freitag. Was er selbst machen werde, wurde er gefragt. Er werde vor Ort sein, sagte er. „Frau Koppers und ich werden uns aufteilen, so dass wir möglichst viel abdecken können“.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.