Polizei erschießt Frau nach Ehestreit

Nach Messerattacke erschoss zu Hilfe gerufener Polizist Senegalesin. Flüchtlingsverband spricht von Mord

BERLIN taz ■ Mit einer Protestkundgebung in Aschaffenburg erinnerten gestern hunderte von Menschen an die vorvergangenen Samstag durch eine Polizeikugel getötete Senegalesin N’deye F. Die 26-jährige war am 14. Juli in der Wohnung ihres Ehemannes von einem Polizisten erschossen worden, nachdem sie seinen Kollegen mit einem Messer attackiert hatte.

Dass der Beamte in Notwehr handelte, bezweifelt die „Black Students“-Bewegung, die den Protestzug mitorganisiert hat. „Wenn zwei Polizisten gegen eine einzelne Frau angehen, müsste es zu verhindern sein, dass sie erschossen wird“, sagte ihr Sprecher Sipua Ngnoubamdjum der taz. Der Polizist habe keinen Handlungsspielraum gehabt, sagt dagegen der Sprecher der Aschaffenburger Polizei, Winfried Schuck. Dieser Interpretation hat sich auch die Staatsanwaltschaft angeschlossen.

In der betreffenden Nacht war es zu einem heftigen Streit zwischen dem deutschstämmigen Ehemann und der Senegalesin gekommen, in dessen Verlauf der Mann die Polizei zu Hilfe rief. Der Mann habe sich gegen die „körperlich weit überlegene, sehr kräftige Frau“ nicht wehren können, heißt es im Bericht der Polizeidirektion Aschaffenburg. Nachdem die Beamten die Frau zunächst beruhigt hatten, habe sie plötzlich ein Brotmesser aus der Küche geholt und einen der Polizisten angegriffen. Als dieser daraufhin stürzte und die Frau zu einem zweiten Stich anhob, habe der Kollege den tödlichen Schuss abgefeuert. Die Kugel traf die Schulter des „messerführenden Armes“, so der Polizeisprecher. Knochensplitter durchtrennten die Schlagader der Frau, die wenig später an den Verletzungen starb.

„Die Frau war körperlich gar nicht so massiv“, hält der Sprecher der „Black Students“, Ngnoubamdjum, dagegen. „In dem Polizeibericht stehen Dinge, die sich so bestimmt nicht zugetragen haben.“ Die Polizei habe „sofort für den Ehemann Partei ergriffen“, heißt es in einem Rundschreiben, das die Organisation gemeinsam mit der „African Refugees Association“ in Umlauf gebracht hat. Sie sprechen deshalb von Mord. Die Eltern der Getöteten haben angekündigt, zu klagen.

Doch es gibt noch weitere Widersprüche. Die „Black Students“ behaupten, der Streit zwischen den Eheleuten sei ausgebrochen, weil N’deye F. das gemeinsame Kind abholen wollte, das der Mann gegen den Willen seiner Frau bei seinen Eltern untergebracht habe. Es habe aber eine Vereinbarung zwischen dem Ehepaar gegeben, dass das Kind bei der Mutter bleiben sollte. Der Polizei liegen andere Informationen vor: „Das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht des Kindes liegt beim Vater, das ist gerichtlich geklärt“, so Polizeisprecher Schuck.

YASSIN MUSHARBASH