Beck`s Krönung

Eine Geschichte von ROBERT NAUMANN

Die Sonne scheint zum Fenster rein und hält meinen Kaffee länger warm. Wenn ich jetzt meine Brille abnehme und sie geschickt so vors Fenster halte, dass sich die Sonnenstrahlen auf der Kaffeetasse bündelt, könnte ich den Kaffee vielleicht zum Kochen bringen. Ja, ihn vielleicht sogar mit Hilfe der Brille verdampfen lassen, denn er schmeckt abscheulich. Es ist Billigkaffee, denn Krönung von Jacobs ist was für die Besserverdienenden, sagt meine Frau, und Recht hat sie.

Aber wie ich hier so sitze, und die Sonne scheint so schön durchs Fenster, und der Frühling erwacht mit all seinen Facetten, da stößt mir das jetzt ganz schön sauer auf. Ist doch ungerecht! Die dicken Bonzen aalen sich in ihren Liegestühlen am Pool, schnipsen erschöpft mit den Fingern nach dem Hausmädchen und sagen träge: „Margrit, noch ’ne Tasse Krönung, ja, mein Kopf, gestern Abend, der Whisky, oder nein, warte, bring mir ’ne Flasche Beck’s, jetzt ist auch egal!“

Ja, Beck’s trinken sie nämlich auch, diese Blutsauger, da geht’s nahtlos mit der Schweinerei weiter. Missmutig gucke ich in den Kühlschrank, gucke auf die drei Büchsen Ratskrone-Pils und denke, dass mal wieder eine Revolution fällig wäre. Ich schnappe mir eine Büchse, jetzt ist auch egal, dieses System kann man nur im Suff ertragen.

Komisch: Da sitzt man jahrelang Tag für Tag beim Frühstück, trinkt dieses scheußliche Gesöff und fragt nicht nach Krönung, und plötzlich, bing!, merkt man: Moment mal, hier stimmt doch was nicht! So ähnlich ging es damals auch Friedrich Engels, nur andersrum, aber mit dem gleichen Resümee. Angewidert trinke ich einen Schluck Ratskrone-Pils. Das dicke Nazischwein im Liegestuhl ist bestimmt schon zu Champagner übergegangen. Weg mit ihnen allen! Blut muss fließen! Krönung für alle!

Das Bier macht mich aggressiv, ich bin total aufgeputscht und möchte sofort anfangen mit der Revolution. Ist ja nicht das erste Mal, hab ja schon eine mitgemacht, 89, kann also nichts schief gehen, das Know-how habe ich. „Auf die Straße!“, denke ich, „so war’s damals, so soll’s heute sein!“

Auf der Straße steht ein betrunkener alter Mann, der kreisförmig schwankt, links, vor, rechts, zurück. So wie diese Stehaufmännchen, die eine Halbkugel als Unterleib haben. Die Ärmel seines grünen Parkas reichen bis kurz über seine Ellbogen, und obwohl er ständig daran zupft, werden sie nicht länger. Zu seinen Füßen steht eine schmutzige Aldi-Tüte, ein paar Büchsen Ratskrone-Pils gucken raus. Wer, wenn nicht er und ich, könnte die Revolution auslösen?

„Mensch“, schreie ich ihn an, „Revolution, mach mit!“ „Ja, ja, ja“, sagt der alte Mann zustimmend, und wir ziehen los, jetzt geht’s der Bande an den Kragen, jetzt wird aufgeräumt. Wir sind noch nicht weit gekommen, fünf oder zehn Meter, da kommt uns meine Frau entgegen, mit zwei Einkaufstaschen in der Hand.

„Was hasten mitgebracht?“, frage ich. Sie lächelt. „Guck mal“, sagt sie, „gestern kam doch Kindergeld.“ Sie holt eine Packung Jacobs Krönung hervor und, wunderbar, drei Büchsen Schultheiss seh ich da auch in der Tasche. Kein Beck’s zwar, aber ein Schritt in die richtige Richtung.

Ich stecke dem alten Mann eine Büchse Schultheiss zu. „Tut mir Leid, Alter“, sage ich, „die Revolution muss warten, vielleicht ein andermal.“