Tränenfeste Bestseller

Neue Trennungstage- und Biobücher. Ein Live-Bericht von der Leipziger Buchmesse

Der Biografiemarkt boomt. War schon 2000 ein gutes Jahr für Selberlebensbeschreiber und Bekenntnisableger, so geht es 2001 noch viel munterer so weiter: Große Männer machen dicke Umsätze, weil sie es verstehen, dicke Bücher mit großen Buchstaben vollzuschreiben.

Den Anfang machte im vergangenen Jahr der ehemalige CDU-Schatzsucher Walther Leisler Kiep mit seinem Erinnerungsbuch „Was bleibt, ist große Zuversicht – Erfahrungen eines Unabhängigen“. Zur Ankurbelung des Abverkaufs überraschte der Sky Dumont der Christdemokraten das deutsche Lesevolk mit einer hervorragend inszenierten Medienkampagne zum Thema Schwarzgeldwäsche. Und seinen Lesern verriet er, wie man als Geldkofferträger in Waffenhändlerkreisen zu lukrativen Nebeneinkünften kommen kann. Inzwischen musste Leisler Kiep leider Teile seiner Einkünfte zurückzahlen, weswegen nun der zweite Teil seiner Biografie erscheinen wird. Titel: „Die große Zuversicht, daß noch was übrigbleibt – Erfahrungen eines Geldabhängigen“.

Unabhängig voneinander veröffentlichten auch zwei andere Medienlieblinge ihre Erinnerungen, dabei arbeiteten sie Hand in Hand an der begleitenden PR-Kampagne. Zuerst rollte Wolfgang Schäuble an den Start. In seinem 347 Seiten starken Bekennerschreiben „Mitten im Leben“ erklärte er seinen Lesern, wie viel Zeit er zusammen mit seinem ehemaligen Chef Helmut Kohl verbracht hat. Nämlich, so Schäuble, „schon zu viel Zeit meiner knapp bemessenen Lebenszeit“.

Das fand sein Exchef reichlich vermessen und reagierte prompt. Kohl legte noch fünf Seiten drauf und konterte mit seinem 352 Seiten starken „Tagebuch 1998 – 2000“. Darin nannte der Kaltanzler erstmals Namen. Natürlich nicht die Namen seiner zwei von ihm selbst erfundenen Millionenspender, sondern den Namen des Mannes, der ihn menschlich am meisten enttäuscht hat: Er fängt mit „Sch“ an und hört mit „äuble“ auf. Kohl interpretierte Schäubles Zeitrechnung als unangemessen und überzogen, schließlich hatte sich Kohl immer alle Lebenszeit der Welt genommen, um seinen ehemaligen Koffer-Kuli auflaufen und gegen die Wand fahren zu lassen.

Buchagenten konnten indes die beiden Megabiografen dazu überreden, nun ein gemeinsames Werk vorzulegen, um vor allem auch ältere und Yellow-Press-Leser zu erreichen. Voll viel versprechender Titel: „Voll daneben. Das Trennungstagebuch des Traumpaares Kohl/Schäuble“, ausgestattet mit tränenfestem Papier und einem Vorwort von Boris Becker.

Die Haupterwartungen der Buchhändler richten sich indes auf einen Mann, der schon viel zu lange geschwiegen hat. Vielleicht ja nur deswegen, weil er nichts zu sagen hat. Immerhin ist es schon über zwei Jahre her, dass Gerhard Schröder mit seinem Buch „Und weil wir unser Land verbessern ...“ den erfolglosen Versuch unternahm, sein Einkommen zu verbessern und die Bestsellerlisten unseres Landes zu stürmen. Möglicherweise war die Zeit aber 1998 einfach noch nicht reif für seine „26 Briefe für ein modernes Deutschland“. Oder lag es daran, dass Schröder selbstredend auch in diesem Buch rein gar nichts zu sagen hatte?

Wie auch immer, diesmal will es der Kanzler aller Deutschen jedenfalls wissen. Zukünftige Neider nehmen es Gerhard Schröder jetzt schon übel, dass er heuer nicht unter eigenem Namen publizieren wird, sondern ein Pseudonym gewählt hat, mit dem er sich ganz augenscheinlich an den Erfolg anderer dranhängen will.

In Leipzig wird Schröder das erste von insgesamt drei geplanten „Garry Schrodder“-Büchern vorstellen. Bevor im Herbst unter anderen „Garry Schrodder und der Steuerkelch“ und „Garry Schrodder und der Stein des Weines“ im Düsseldorfer Econ-Verlag erscheinen wird, müssen wir erst mal mit dem Schlimmsten rechnen: mit dem absoluten Spitzentitel der Leipziger Frühjahrsbuchmesse: „Garry Schrodder und die Abgeordnetenkammer des Schreckens“.

OLIVER MARIA SCHMITT