Schwimmender Atomreaktor

Russischer Nuklearfrachter vor dem Hamburger Hafen. Schiffsmakler will Einlaufgenehmigung, Sicherheitsbedenken bei Behörden  ■ Von Kai von Appen

Atomalarm im Hafen: Die Hamburger Schiffsmaklerei „Vopak-Logistik“ lässt derzeit die Voraussetzungen für eine Einlaufgenehmigung im Hamburger Hafen für den atombetriebenen russischen Frachter „Sevmorput“ prüfen. Entsprechende Informationen der taz hamburg bestätigte „Vopak“-Sprecher Kai Merkel: „Das ist richtig.“ Den Verantwortlichen in den zuständigen Behörden graust es bereits bei der Vorstellung, ein schwimmender Atomreaktor könnte die Elbe hinaufschippern und im Hafen festmachen. Hafenkapitän Jörg Pollmann: „Wir haben erhebliche Sicherheitsbedenken.“

Die Euphorie über den nuklearen Schiffsantrieb in der Handelsschifffahrt ist in Deutschland schon längst verflogen: Die 1968 gebaute „Otto Hahn“ wurde nach diversen Pannen und nur zehn Jahre „Probebetrieb“ 1978 stillgelegt, der Atomreaktor 1980 ausgebaut und im GKSS-Forschungszentrum Geesthacht einbetoniert. Das letzte Atomschiff in Hamburg, das englische U-Boot „HMS Talent“, löste 1995 erhebliche Proteste aus.

Die Russen wollen hingegen das Rad der Zeit zurückdrehen und der „Sevmorput“ zur Renaissance verhelfen. Der Container-Frachter (38.000 BRT) liegt nach Angaben von Thomas Nilsen von der „Bellona Foundation“ in Norwegen in einem Dock in Murmansk, dem Heimathafen des im August gesunkenen russischen Atom-U-Boots „Kursk“. Das Schiff gehört bislang der „Murmansk Shipping Company“, die auch atombetriebene Eisbrecher reedert. Da den Russen das Geld zur Reparatur des Antriebs fehlt, soll das Schiff nun mit Fremdkapital umgebaut werden.„Wir haben eine grundsätzliche Anfrage gemacht“, sagt der Vopak-Sprecher. „Wir müssen sehen, wie die bürokratischen Mühlen mahlen, dann muss der Reeder entscheiden, was passieren soll.“

Nach Angaben von Umweltbehördensprecherin Ina Heidemann ist für einen „nuklearangetriebenen Frachter“ eine „atomrechtliche Genehmigung“ erforderlich. Dabei habe die Umweltbehörde in Abstimmung mit Innen-, Wirtschafts- und Gesundheitsbehörde abzuklären, ob alle bundesdeutschen Auflagen und Sicherheitsstandards erfüllt werden: Schiffssicherheit, Haftung bei Unfällen und Strahlenschutzvorkehrungen. „Die Liste ist sehr umfangreich“, sagt Heidemann, „das Genehmigungsverfahren ist aufwendig und langwierig.“

Zudem bedarf es einer Genehmigung des Bundesverkehrsministeriums, bevor der Frachter überhaupt bundesdeutsche Hoheitsgewässer ansteuern darf – darin sind sich Oberhafenamt, Umweltbehörde und Vopak einig. Beim Berliner Verkehrsministerium war man sich bis gestern dieser Zuständigkeit allerdings nicht bewusst. Das soll nun „nach Rosenmontag“ geklärt werden.

Nach Meinung vom „Regenbogen“-Atomreferent Dirk Seifert könnte sich der rot-grüne Senat durch eine „Entwidmung“ künftighin grundsätzlich solche Gäste vom Hals halten, indem der Hafen nach Lübecker Vorbild als „atomfreie Zone“ für Nuklearmaterialien gesperrt wird – das war eine alte GAL-Forderung aus Oppositionszeiten.