Reisebericht Mosel 2011: Eine Gruppenreise der besonderen Art

Bernd Wulf, Teilnehmer der taz-Moselreise im Mai 2011, berichtet von einer "ganz persönlichen Horizonterweiterung".

Beilstein an der Mosel Bild: InMotion

"Gruppenreise gefällig?" Nach zwei Worten dieser Art höre ich üblicherweise auf weiter zu lesen. Zugegeben, es gibt sie, die guten Gruppenreisen. In der Wüste zum Beispiel wäre ich nicht so gern allein, um nur ein Beispiel zu nennen.

Bei dem Wort Gruppenreise erscheinen allerdings normalerweise ganz andere Bilder vor meinen Augen. Zum Beispiel dieses: 7 Tage Toskana, Busreise (Klimaanlage!) mit 39 Events (im Preis inbegriffen) für ab 539 Euro, mit Halbpension versteht sich. Pisa, Florenz, Siena bilden nur einige der toskanischen Highlights. Eine Busladung voller Glückssucher. Sie wollen nicht enttäuscht sein. Da ist sorgsame Planung angesagt. Ohne Gruppendisziplin geht gar nichts. „15:30 am Bus, wir fahren pünktlich!“ Sehnsucht aber fühlt sich anders an. Mein Fazit: Das muss ich nicht haben.

Muss ich zum Glück auch nicht. Ich habe mich für folgendes Angebot entschieden: Sieben Tage Moselreise mit dem Rad, Halbpension inbegriffen, die 1.000 Euro-Marke knapp unterschritten, Anfahrt individuell, Cochem, Traben-Trarbach, Bernkastel-Kues als eher beiläufige Anlaufpunkte einer ganz anderen Reiseart, Mobilitätsunterstützung durch Fahrräder mit Elektroantrieb. Das muss man wollen.

Ich habe es gewollt. Vor allem aus zwei Gründen: Auf dieser Reise konnte ich in aller Ruhe testen, ob ein Fahrrad mit elektrischem Hilfsmotor für mich zu Hause in Frage kommt. Und es gab noch einen zweiten Grund: Die Teilnehmergruppe bestand aus Mitgliedern des taz-Teams sowie aus taz-Genossenschaftsmitgliedern. Kopfgesteuert möchte ich noch hinzufügen: Deutschland ist Reiseland, warum nicht auch für Einheimische?

Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Ich habe meinen Entschluss nicht bereut, im Gegenteil. Das hat viele Gründe. Da ist zum einen das Moseltal selbst. Zwischen Koblenz und Trier mäandert die Mosel durch das Schiefergebirge und schafft immer neue Landschaftsinszenierungen. Die Steilhänge bilden ideale Voraussetzungen für fantastische Moselweine, zu Beginn überwiegend im Terrassenanbau, später auf Steillagen mit zum Teil abenteuerlichem Gefälle. Die körperlichen Herausforderungen der Arbeit in den Weinbergen spürt man schon beim bloßen Anblick.

Das alles aber bedeutet wenig, wenn die Gruppe nicht behagt. Wir allerdings waren gar keine Reisegruppe, wir waren eine Reisegemeinschaft. Dazu haben alle beigetragen. Die „Reiseleitung“ hat koordiniert und organisiert, vor allem aber sich integriert. Sie war Teil der Gemeinschaft. Die Teilnehmergruppen taz-Team und Genossenschaftsmitglieder haben sich auf Anhieb zusammen gefunden. Im besten Sinne des Wortes haben wir uns auf der Reise kennen gelernt, kennen und schätzen gelernt besser gesagt.

Das war die ideale Basis für gemeinsame Erfahrungen um den Wein, die Landschaften, die Probleme der Region. Und Probleme gibt es mehr als genug. Das Image der Moselweine liegt am Boden - immer noch, obwohl sich viel getan hat in den vergangenen Jahren. Wertvollste Anbauflächen auf winzigen Terrassen werden wieder kultiviert, der Steillagenanbau erfährt verstärkte Aufmerksamkeit, Wanderwege werden angelegt, teilweise mit Alpincharakter, Radwege fördern intensives Reisen, etliche Hotels bieten hervorragende kulinarische Erlebnisse. Weinseelige Kegelvereinshorden finden keine Hochburgen mehr.

Der Wein findet gerade den Weg zurück zum Kulturgut mit Genussattributen der Oberklasse. Weinkenner wissen das zu schätzen: Günstiger kann man nirgendwo so gut einkaufen wie zur Zeit an der Mosel. Und wer meint, auf sauren Moselriesling verzichten zu müssen, hat die neuen Kreationen nicht kennen gelernt. Es ist erstaunlich, wie reizvoll sich die Säure des Riesling auf unterschiedlichste Weise im Wein entfalten kann. Das sagt ein Nicht-Weinexperte, besser, jemand, der erste sinnliche Erfahrungen gehobenen Weingenusses erleben durfte, rauschfrei versteht sich. Wer probieren will, sucht die kleine Menge. Zum Weggießen war mir jeder Riesling zu schade. Wenige Sorten und kleine Mengen, das schafft eine Weinseeligkeit der ganz anderen Art, ohne Berauschung, mitunter allenfalls leicht beflügelt.

Der Ritt auf dem Elektrorad tat sein übriges. 40 km Tagestour spürt man allenfalls am Gesäß. Der Sattel ist das schwächste Glied dieser Komfortfortbewegungsart. 40 km, das heißt, zwei bis drei Stunden die Nase im Wind, die Augen in der Mosellandschaft. Das Porsche-Cabrio kann uns gestohlen bleiben. Ganz so erschlafft wollen wir die Strecke dann doch nicht meistern.

Für mich war das Reiseerlebnis einmalig. Die Einmaligkeit dieser Reise war das Resultat vom Zusammentreffen vieler günstiger Bedingungen: Dass wir uns mochten und mögen, dass das Wetter mitgespielt hat, dass wir Zugänge mitgenommen haben zur Mosellandschaft und den Menschen dort mit ihren Problemen und Hoffnungen, dass der Wein uns euphorisiert hat, dass Historie unseren Weg bereichernd begleitet hat, dass wir Menschen getroffen haben, die mit Leib und Seele dabei sind, Wein zu kreieren und das Moseltal zu erhalten und zu entwickeln. Und sicher noch viele weitere Gründe, die mir nicht auf Anhieb einfallen.

Taz lesen, das kann und praktiziere ich schon lange, taz reisen, das war neu für mich. Aber nur dies eine Mal. Taz-Reiseangebote werde ich nicht mehr ungelesen beiseite legen. Das war gestern. Das ist meine ganz persönliche Horizonterweiterung: Taz reisen ist alternativlos. Wenn andere taz-Reisen auch nur einen Teil dieser Moselreiseerfahrungen halten können, sind auch sie Pretiosen im überflutenden Reiseüberangebot. Liebe taz: Bleibt bitte dran und habt weiter so tolle Reiseideen, da ist bestimmt noch Luft nach oben! Auf diese Reiseweise macht Genossenschaft noch einmal richtig Spaß!

Bernd Wulf, Teilnehmer der taz-Moselreise im Mai 2011